Montag, 3. Juni 2013

...

Heute bitte ich im Sinne Schopenhauers (Parerga, Über Schriftstellerei und Stil) künftige Rezensenten meiner Gedanken ihre Anonymität aufzugeben und sich argumentativ unter ihrem ehrlichen Namen zu äußern!
Eine anonyme Reaktion von Anfang April, derer ich während meiner Reise zum Nietzsche-Haus in Chaiyaphum ansichtig wurde, insinuiert, daß die von mir gescholtenen Religionen Bollwerke gegen die diagnostizierte Depravation seien,- wie wenn ich Ursache und Wirkung verwechselte. Es ist kein Widerspruch, daß das Christentum als Religion an den von ihm gerufenen Geistern, nachdem sie sich emanzipiert, zugrunde geht, sie stellen ja auch selbst gar kein Bollwerk mehr dar, sondern kämpfen um ihr dummes Überleben.
Alles, was heute der christlichen Religion entgegengehalten wird, ist zutiefst christlichen Ursprungs, was ein naiver Betrachter nur schwer erkennen kann, etwa so, wie man es nicht glauben sollte, daß der die Raupe verneinende Schmetterling aus derselben hervorgegangen ist. Erst Nietzsche entdeckte den christlichen Hintergrund Schopenhauers, ahnte "christliche Antriebe" (Jaspers) in seinen eigenen Gedankenbewegungen, und ohne die christliche Erziehung zum Haß (auf den Teufel- und alles war Teufel, was nicht Gott war) wäre auch mein Haß nicht der, der er ist. Das Symbol Christi sogar, der Fisch, wiewohl immer erklärt mit der Buchstabenfolge des griechischen Worts für "Fisch" (ichtüs = iesus christos theou (h)üos soter), war bei den damaligen Kulturen des Mittelmeerraumes das Symbol für kalten Haß.

Doch Schluß mit all der Hasserei! Lassen wir Schopenhauer das Schlußwort sprechen:
"Es giebt doch keine größere Erquickung für den Geist, als die Lektüre der alten Klassiker: sobald man irgend einen von ihnen, und wäre es auch nur auf eine halbe Stunde, in die Hand genommen hat, fühlt man alsbald sich erfrischt, erleichtert, gereinigt, gehoben und gestärkt; nicht anders, als hätte man an der frischen Felsenquelle sich gelabt. Liegt Dies an den alten Sprachen und ihrer Vollkommenheit? oder an der Größe der Geister, deren Werke von den Jahrtausenden unversehrt und ungeschwächt bleiben? Vielleicht an Beidem zusammen. Dies aber weiß ich, daß wenn, wie es jetzt droht, die Erlernung der alten Sprachen ein mal aufhören sollte, dann eine neue Litteratur kommen wird, bestehend aus so barbarischen platten und nichtswürdigem Geschreibe, wie es noch gar nicht dagewesen; zumal da die deutsche Sprache, welche doch einige der Vollkommenheiten der alten besitzt, von den nichtswürdigen Skriblern heutiger "Jetztzeit" eifrig und methodisch dilapidirt und verhunzt wird, so daß sie allmälig, verarmt und verkrüppelt, in einen elenden Jargon übergeht." (Parerga, Über Lesen und Bücher, § 296a)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen