Dienstag, 30. August 2016



Wir sind von Rätseln ohne Ende umgeben; zu einer Erkenntnis aber habe ich es doch in meinem Leben gebracht, nämlich der, daß Bias recht hat, daß die meisten schlecht sind, ohne „triuwe“, „triuwenblôz“! Und auf diese will man heute den Staat gründen, eine organisierte Fun-Gesellschaft. Bald spielt diese Fun-Gesellschaft wieder „Bundestagswahl“ in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker. Daran ist soviel interessant, daß die Briefwahl sprunghaft an Popularität gewonnen hat. Um das weitere Absinken der Wahlbeteiligung zu verhindern, hat man Briefwahl ohne Angabe von Gründen ermöglicht. Früher zogen die Männer ihre Sonntagskleider an, setzten den Hut auf und gingen in Person zu einer Wahl wie zu einem Thing. Das verächtliche Massenstimmvieh schafft es oft nicht mehr aus dem Bett. Es geht auch nur noch um die „Stimme“; um die Person geht es schon lange nicht mehr. Die Wahl der Nichtse per Mausklick wäre nur konsequent: ein wirklicher Mensch, verantwortlich und stolz, wird bestenfalls in jungen Jahren, wenn er noch naiv ist, an einer Massenveranstaltung teilnehmen. Wohlgemerkt: Ich wende mich nicht gegen Mensch und Demokratie. Ich wende mich gegen das biologische Verständnis von Mensch und das logizistische von Demokratie. In dem schönen deutschen Land in einer Demokratie wahrer Menschen zu leben, wäre ein Traum. Doch Diogenes mit der Lampe sucht immer noch vergeblich.


Auf dem Kreuz-Weg von (aristokratischer) Kultur zu (pöbelhafter) Barbarei ist die Verbreiterung des „Wissens“ durch elektronische Daten eine nicht undeutende Station. Breite statt Tiefe der Erkenntnis und des Wissens, Verflachung eben des Umgangs mit Welt ist das pöbelgemäße Verhalten, das sich Fortschritt nennt. Mit der sogenannten Französischen Revolution brach das letzte Stadium der Menschengeschlechtskrankheit aus, das schließlich im Wahnsinn durch Paralyse enden wird. Und dann das irrsinnige Politisieren! Ich habe die überflüssigen Essays eines Joachim Fest über die Brüder Mann gelesen: Dem Feuilletonisten gelten die Brüder als „unrettbar fremd im Politischen“; dabei ist er nur ein unrettbar politischer  Schwachkopf, felsenfest von der Beschränktheit der Brüder überzeugt, dabei onkelhaft wohlwollend wie Safranski oder Yalom gegenüber Nietzsche, wiewohl sie „danken könnten, mehr doch nicht“.

Einen Deppen, der nichts weiß, glauben zu machen, er wisse alles, ist die De-facto-Funktion des Internets: es ist das eigentliche Medium des Pöbels: Das erst ist die Apotheose des Sokrates!
 

Mittwoch, 15. Juni 2016

Balladen

Es sind eigentlich gar keine Kommentare oder, bis auf einige Ausnahmen, nur stumpfsinnige zu meinen Gedanken eingegangen. Da tut vielleicht etwas Auflockerung durch Lyrik gut. Ich rücke hier die bieden Balladen "Thersites" und "Ahasver" ein, in der Hoffnung, daß ihre Botschaften, lyrisch transportiert, besser verstanden werden.




Thersites

„Vor Troja lag vertäut am Strande
die Flotte aus der Griechen Lande
neun Jahre schon auf Sieg erpicht,
doch war kein Ende noch in Sicht.

Und zürnend saß bei seinem Schiffe
Achill, vom Könige entehrt,
versagt das Schwert dem Heldengriffe,
da ihm die Beute ward verwehrt,

die Briseis mit den roten Wangen,
die auf dem Lager er umpfangen:
sie nahm der König als Ersatz
für den verlornen eignen Schatz:

Denn nicht ließ sich Apoll versöhnen,
bis er die Chryseis gab zurück
dem Vater, der als Priester tönend
beim Gott beklagte ihr Geschick.

Nur durch Athene sanft bezwungen,
ward dem Achill die Beut entrungen;
mit Agamemnon ganz entzweit,
klagt er der Mutter laut sein Leid.

Und Thetis, von dem Sohn gerühret,
eilt hin zu Zeus, umfasst sein Knie,
daß Troja er zum Siege führet,
bis daß ihr Sohn den Raub verzieh.

Zeus nickte heimlich ihr Gewährung,
und zu der Griechen Leidvermehrung
täuscht den Atriden er im Traum,
Ilions Feste zu zerhaun.

Odysseus heißt die müden Scharen
sich rüsten für den letzten Streit,
und die zuvor verdrossen waren,
begeistert er, zum Kampf bereit.

Nur einer, häßlich ohnegleichen,
vor dem die andern eklig weichen,
das Auge scheel und lahm der Fuß,
spitzköpfig, von engbrüstgem Wuchs,

Thersites mit den schüttern Haaren,
wie stets zum Widerspruch bereit,
der Wahrheit Freund in vielen Jahren,
erhebt die schrille Stimm und schreit:

Ihr Narren rennt in Krieg und Sterben
und häuft Verderben auf Verderben,
damit ein Einzger Reichtum häuft,
das Fett ihm von den Backen träuft

und junge Weiber ohne Ende
ihm gehen über Leib und Lende!
Hat er von allem nicht genug?
Wie lang noch frönt ihr dem Betrug?

Selbst dem Achill, dem bessern Manne,
hat er den Ehrenpreis geraubt,
der schlaff wie ihr und sonder Galle
noch an den eitlen Führer glaubt.

Fahrt heim, spielt Frieden, nicht den Helden,
treibt Handel dort, nicht Unsinn hier,
sonst müßte ich der Welt vermelden:
Der Griech ist Mensch nicht, ist ein Tier!“

„Der Mann spricht wahr“, denkt jeder düster;
was Bias sagte, wird Geflüster:
die Meisten in der Welt sind schlecht;
der Häßlichste allein hat recht!

Was aber, wenn die Wahrheit siegte?
Sich Krüppelspiel im Tanze wiegte?
Wenn nur noch Lästerred und Spott
sich drehten um das Gold als Gott?

Da gibt Odysseus mit dem Stabe,
daß ihm der Rücken blutig kracht,
dem Schwätzer die verdiente Gabe,
und alles atmet auf und lacht.




Ahasver

Einst zog im finstern Judenlande,
wo alles umgekehrt geschah,
als man es bei den Völkern kannte,
von Männern eine Zwölferschar,
die einem Jesus Achtung zollte,
der zwar die Welt erlösen wollte,
doch zu den Fischern sich gehockt,
sie von der Arbeit weggelockt.
Und viele lauschten seinen Reden,
und als er in die Hauptstadt kam,
da nannt’ er Bruder einen jeden,
der ihn zu sich nach Hause nahm.

So sprach der jugendliche Tor
auch oft bei einem Schuster vor,
der anders als so mancher Scheele
bei seinen Leisten blieb. Der mocht’
den Jüngling ob der treuen Seele,
obwohl ihm oft die Galle kocht,
wenn der den Weibertröster spielt
und alles auf die Liebe setzt,
bei jedem auf Belehrung zielt,
sich in der Wirklichkeit verschätzt,
zu allem Ja und Amen sagt,
ob man ihn schlägt, verlacht, verjagt.

„Du bist ein echter Idiot
und bringst am Ende dich in Not
und täuschst die Narren, die dir folgen.
Die Obrigkeit beäugt dich schon!
Wenn sich die Schelme schließlich balgen,
bist du im Nu der Hurensohn,
obgleich du nimmer Streit gesucht!
Ich mag dich doch und muß dich warnen,
daß man am Ende dich verflucht.
Laß mich den Pöbel dir enttarnen!
Sie sitzen heut mit dir am Tisch

und brechen Brot, - und morgen dich!

Vor allen dieser Judas-Schleicher,
der spitzelt für die Obrigkeit!
Jetzt hofft er noch, du machst ihn reicher,
bald ist er zum Betrug bereit.“
Doch Jesus hört auf keinen Rat:
als genialer Psychopath
wähnt er sich schon als Gottes Sohn
neben dem Vater auf dem Thron.
Ihn kam die Welt schon längst abhanden,
und bald war ihm die Zeit zu lang,
er dünkt sich frei von allen Banden
und pocht auf seinen Untergang.

Verurteilt ward zum Tod am Brett
der Prediger aus Nazareth.
Da er ein Weiberweichling war,
ward schwer der Gang nach Golgatha;
und wie er da so schwitzt und keucht,
ein dummes Weib kommt angefleucht,
belästigt ihn mit einem Tuch,
entlockt ihm seinen ersten Fluch.
Just vor Ahasvers Werkstatt fällt
er unterm Kreuz, der Schuster gellt:
„Verdammter Narr, bist selber schuld!“
Das Weibsstück sich in Tränen suhlt.

Von ferne naht sein Mütterlein,
den Sohn vom Holz zu pflücken heim;
die Jünger flohn, er ist allein,
dem Schuster stockt im Schlund der Schleim.
Da blickt ihm Jesus ins Gesicht:
„Hast recht, Erlösung fruchtet nicht,
nur Treue auf den Wanderwegen.
So geb ich dir den letzten Segen:
Du wirst zum Augenblick nicht sagen:
„Verweile doch, du bist so schön!“
wirst weigern dich, ein Kreuz zu tragen,
wirst deshalb nie zugrunde gehen!“

Mittwoch, 18. Mai 2016

Rangordnung



29.   Die Rangordnung der Werte bestand bis etwa 500 vor dem Idioten; dann wurde sie durch eine perverse, Idiotie vorbereitende Ideologie umgedreht. Bis dahin galt: Wenn der Mann redet, schweigt die Frau. Der Wechsel deutet sich schon bei Sokrates an: Wenn er von seinen „philosophischen“ Exzessen nach Hause kam, wurde er von Xanthippe (Falbe Stute) ohne Ende beschimpft - derselben, die später im Gefängnis mit ihren Kindern Terz machte, - nein, mit Ende: sie übergoß ihn mit Wasser (Urin?), der Narr aber sprach: Wenn Falbe Stute „donnert“, muß sie auch regnen! (Diogenes Laertius, II, 36) Derlei Witzigkeit ist alles, was von den alten Heroen übrig ist, und heute, 2500 Jahre später, ist die Narrensaat, von dem Gottesidioten in Religion überführt, voll aufgegangen: man versucht, mich mundtot zu machen.
Doch woher die Rangordnung und meine und Dávilas abgrundtiefe Verachtung des rohen Haufens? Bei Naturvölkern ist es ja so, daß eine Gleichheit aller als selbstverständlich angenommen wird, selbst wenn sie sich durch ihren Status in der Organisation unterscheiden. Ist also der Wille zur Selbstverantwortlichkeit ein kulturelles Phänomen, das mit der Kultur auch wieder verschwindet, was sich zurzeit zu ereignen scheint? Die Masse (mobile vulgus) sackt nach dem Durchgang durch die Kultur, die Menschen im höheren Sinne emporzüchtete, wieder in die ursprüngliche Gleichheit zurück, doch jetzt, nach Zerstörung der natürlichen Vernunft, „um tierischer als jedes Tier zu sein“.

Ich glaube, daß es der perverse Rückschritt am demokratischen Fortschritt ist, was mich so gegen ihn aufbringt: die Verhöhnung der unschuldigen Gleichheit durch ein ideologisch freigesetztes dünkelhaftes Pack, aus dem jeder Einzelne denkt, etwas Besseres zu sein. Daß man das Pack adeln könne – durch Theater!! – war eine gründlich falsche Hoffnung Schillers.  Man denke nur, was aus dem Filmtheater geworden ist, seit sich der Amerikaner in seiner skrupellosen Geldgier seiner angenommen hat!


30.   „We are the world, we are the people“. – Bei diesen Wohltätigkeits- oder Gedenkveranstaltungen, bei denen alle Popstars gemeinsam für einen “guten Zweck” auftreten, kann man bei wandernder Kamera die Idiotie jedes Einzelnen ganz unverdeckt in geradezu medizinischer Deutlichkeit sehen. Da sich alle durch die Gruppe gedeckt fühlen, geben sie sich keine Mühe der sorgsam-„ernsthaften“ Profilierung, sondern legen die ganze Verzerrung ihrer schwachsinnigen Existenz wie verzückt in den Augenblick, der sie als Teilnehmer dieses Stelldicheins zeigt: eine Grimasse verzerrter und ekelhafter als die andere.


31.   Nach dem Dritten Reich weiß man, daß fast jeder Deutsche ein potentieller Blockwart ist. Das Dritte Reich war gewissermaßen eine Stunde der Wahrheit. Es hat eigentlich nur eine wichtige Erkenntnis ermöglicht.


32. Obesed people geben, wenn sie andere Völker überfallen, trotz militärischer Überlegenheit immerhin ein gutes Ziel für verteidigende Kämpfer ab. Mo Dse sagt: „Selten nur sterben ausgezeichnete Menschen nicht an dem, was sie auszeichnet.“ Vielleicht sterben aber auch die gemeinen letztlich an ihrer Gemeinheit, ja, gewiß ist es so!


33.   „Warum „Brigantenunwesen“? Wenn 1870 ein Franktireur einen preußischen Verpflegungswagen überfiel und die Besatzungssoldaten umlegte, wurde er als Held gefeiert. Natürlich, wenn ich das sagte, würde man aufspringen: „Wie können Sie das vergleichen …?“ Nun, ich vergleiche eben, und ich setze sogar gleich. Wie es auch um seine Kultur und den Grad der Zivilisation bestellt sein mag, ein überfallenes Volk bleibt stets ein überfallenes Volk. Und wenn es danach trachtet, dem Eroberer soviel Schaden wie möglich anzutun, so nennt der elementare gesunde Menschenverstand das legitim. Gerade das empört mich bei uns Franzosen: daß der Gegner stets als Bösewicht hingestellt wird. Gleichgültig, mit welchen Mitteln, sogar mit den gemeinsten, will man die Fiktion aufrechterhalten, wir allein hätten das Recht auf unserer Seite.“ (Montherlant, Die Wüstenrose, München 1981, S. 373) Ich erlaube mir, die Anwendung dieses Gedankens auf Afghanistan zu machen, auf den Irak und andere überfallene Länder.


34.   In Deutschland lauert in fast jedem ein kleiner Robespierre. Fontane hat das gewußt. Es ist im Grunde der einfältige Ede in „Unterm Birnbaum“ der Prototyp dieses Deutschen. Das kommt daher, weil der Pöbelmann durch Moral nach oben gekommen ist und mit ihr nun die Guillotine bedient.


35.  „„Niebuhr hat recht gehabt“, sagte Goethe, „wenn er eine barbarische Zeit kommen sah. Sie ist schon da, wir sind schon mitten darinne; denn worin besteht die Barbarei anders als darin, daß man das Vortreffliche nicht anerkennt.““ (Eckermann unter dem 22.3.1831)


36.   Latrinenparolen. – Vom Volk der Dichter und Denker … Das christliche Abendland ist von Anfang an das Scheißhaus des Altertums und seiner kultivierten Völker gewesen, und die Deutschen haben seine Wände mit immer absurderen Latrinenparolen beschmiert. Früher las man sie „an den buochen“, heute springen sie aus den Briefkästen und hageln aus den Medien.


37.   Ich glaube, daß der Unterschied zwischen der animalischen Art Mensch und der menschlichen darin besteht, daß der animalische Mensch seine Lebenszeit zu überbrücken sucht, da er sie mit einem „unglücklichen Bewusstsein“ à la Sartre erlebt. Der menschliche Mensch, zumal der auf dem Weg zum Übermenschen, nutzt sie zu einem von Seinsnähe bestimmten kreativen Leben. Man soll das nicht umgekehrt sehen! Obgleich Schopenhauer diesen Unterschied grundsätzlich sieht, vernachlässigt er ihn sehr oft, woraus sich der Pessimismus seiner Philosophie erklärt. Er empfindet abendländisch-platonisch eine Gleichheit der Menschen und schreibt dann über die Art Mensch, von der er sich distanziert, ohne zum Bodhisattva zu werden.


38.   Anstatt dem Übermenschen vorzuarbeiten, bringen die meisten Menschen die besten Jahre ihres Lebens damit zu. an der Vernichtung der Welt mitzuarbeiten. Der Platz, den der einzelne junge Familienvater für „das Auto“ zubetoniert, wird von der Natur in den seltensten Fällen zurückerobert, wenn sich die Träume des betrogenen Betrügers zerschlagen haben.


39.   Die Sinnfrage stellt sich dem Unkreativen; sie kommt, wenn einem nichts mehr einfällt. Sollen doch die Unkreativen an ihrer Sinnsuche und Fragerei zugrunde gehen!


40.   „The pure light of chivalry (…) alone distinguishes the noble from the base, the gentle knight from the churl and the savage, which rates our life far, far beneath the pitch of our honour; raises us victorious over pain, toil and suffering, and teaches us to fear no evil but disgrace. (…) Chivalry! Why, (…) she is the nurse of pure and high affection – the stay of the oppressed, the redresser of grievances, the curb of the power of the tyrant – Nobility were but an empty name without her, and liberty finds the best protection in her lance and her sword.” (Walter Scott: Ivanhoe, Wordsworth Editions Ltd. o.O. 1995, S. 248) (1)

(1)  Die Jacobites und High Tories versuchten zwischen 1688 und 1745 als fanatische Anhänger der Stuarts einen heroischen Idealismus und ein Zurückdrehen der Geschichte zu verwirklichen. Ihr Studium beeinflusste stark Walter Scotts Vorstellungen, während er „Ivanhoe“ schrieb. In „Ivanhoe“ (S. 247 f.) äußert sich Rebecca wie Thersites, und Scott lässt den verwundeten Ivanhoe all das begeistert vortragen, was bei Homer noch als selbstverständlich unausgesprochen bleibt: das Hohe Lied auf Kampf und Ehre …


41.   Was in Thailand sofort in die Augen fällt, ist die physiologische Verkrüppelung des westlichen Menschen, bedingt durch Jahrtausende der Widernatur und psychophysischer Parallelvergewaltigung. Hier kommt man durch unmittelbare Apperzeption zur Erkenntnis der Verkrüppelung, und der Verstand bietet mögliche Begründungen an, von denen der intelligente Mensch die richtige annimmt, der dumme die angenehmste. Dummheit ist eine Form der Genusssucht; deshalb erregt sie auch Ärgernis; das Christentum ist eine Art Massenbesäufnis. Den Schnaps schenken die Medien ein.
Journalismus: die widerlichste Form des pekuniären Voyeurismus von der Zudringlichkeit der Schmeißfliege, mit dem ekelhaften Anspruch auf Zutritt und Berücksichtigung, - und alles unter dem verlogenen Mäntelchen der Aufklärung über die Wahrheit und Information. Die Neugier und Sensationslust, Eigenschaften des Pöbels, werden durch die Medien bedient, zugleich seine Gier durch Werbung …


42.  „Alles Edle ist an sich stiller Natur und scheint zu schlafen, bis es durch Widerspruch geweckt und herausgefordert wird.“ (Goethe zu Eckermann, 1.4.1828) „Ein Lump bleibt freilich ein Lump, und eine kleinliche Natur wird durch einen selbst täglichen Verkehr mit der Großheit antiker Gesinnungen um keinen Zoll größer werden.“ (Ebd.) Und „quel mal y a-t-il à   
être vaincu? Par la société? C’est un honneur … Par un ennemi? C’est un saute du vent.“ (Montherlant)


43.  „Ein Mensch, der fern von der größern gesellschaftlichen Welt erzogen worden, der von den feineren Lebensregeln, von der raffinirten, aber zur Gewohnheit gewordenen Höflichkeit und dem ganzen Ceremonialgesetz der feineren Welt nichts weiß, der nur auf sich selbst und nicht auf das, was andere von ihm denken mögen, Acht hat; ein solcher Mensch wird in den meisten Gesellschaften etwas lächerlich scheinen, nach ihren Urtheilen ins Grobe fallen, aber naiv genannt werden. (…) Von welcher Seite her man das Naive untersucht, so zeigt sich, daß es seinen Ursprung in einer mit richtigem Gefühl begabten, von Kunst, Verstellung, Zwang und Eitelkeit unverdorbenen Seele habe. Die Einfalt und Offenherzigkeit im Denken, Handeln und Reden, die mit der Natur übereinstimmt, und auf welche nichts willkührliches, oder gelerntes von außenher den geringsten Einfluß hat, (…) scheinet das Wesen des Naiven auszumachen. Es äußert sich in Gedanken, im Ausdruck, in Empfindungen, in Sitten, Manieren und Handlungen.“ (Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste; „Naiv“)


44. „Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.“ (Zarathustras Vorrede, 5.) Die entscheidende Frage ist, ob das Anders-Fühlen ein soziopsychologisch erklärbarer Wahn bei einzelnen ist, den es zu heilen gilt, da er in einer „demokratischen“ Gesellschaft schnell mit Leid verbunden ist, oder ob es tatsächlich Rang-Unterschiede gibt, die festzustellen und als werteverbürgend festzuhalten sind, notfalls von den Hochrangigen selbst. Wie aber sollen sich die in der verpesteten Luft des Ressentiments Vereinsamten solidarisieren, um die ihnen gebührende Macht in der Gesellschaft wiederzugewinnen? Niemals durch Aufklärung, sondern nur durch Manipulation des „großen Lümmels“ (Heine) ließe sich etwas ausrichten oder dadurch daß aus kleinen Kreisen eine neue Art Mensch hervorwächst, die das Gesicht der Erde verändert. Von Goethes „theatralischer Sendung“ ist man bis zur „Sendung mit der Maus“ hinabgesunken. Vielleicht birgt die völlige Verblödung der Massen die Chance, daß sich die Vernunft wieder durchsetzt.
Ja, es ist so: Als Gattungswesen und Gesellschaftswesen sind alle Menschen beruhigend und erschreckend gleich. Für die allermeisten beruhigend, wenn und weil sie die ideologische Indoktrinierung ihrer Gesellschaft, des Volkes, in dem sie leben, über die Zeit retten. Nun gibt es aber einen speziellen Konsens, der Einzelne aus der Gattung heraus und über sie hinaus heben kann. Einen solchen Konsens einzugehen, ist ein Abzeichen höheren Ranges, weil sich hierin eine Macht verrät, die die Gattung zukunftverbürgend transzendiert.