1. Über Recht wird wenig philosophiert - von wem auch? – und gar keine Kritik an der
Rechtsprechung wird laut; hier fürchten
alle die selbstherrliche – da
„göttliche“ – Instanz,
die keiner Kontrolle mehr unterliegt und den Kritiker krähenmäßig verderben kann.
2. Formale Rechtsstaatlichkeit macht noch keinen Rechtsstaat; im Gegenteil
muß man sich
fragen, ob sie nicht – wenn losgelöst von der Rechtsrealität
– vielmehr Ausdruck eines tiefwurzelnden Einverständnisses mit dem Unrecht, ja,
eines Willens zum Unrecht ist. Ich meine den sadistischen Zug in der
zwanghaften Korrektheit, die sich ideologisch manipulieren läßt, weil sie
unaufrichtig ist.
3. Hinzu kommt der
allgemeine Realitätsverlust. – Die Menschen, vor allen die jungen,
verbringen Zeit um Zeit im Internet, das heißt in einer bloß
fingierten Wirklichkeit, und
verlieren dadurch den
Kontakt zur Welt und ihrem eigenen Leben. Im Verwaltungswesen,
im Rechtswesen, in Erziehung und Bildung hat die
Datenverarbeitung ihre Inhalte bereits hinter sich gelassen und Selbstläufer
inszeniert, die mit der eigentlichen Realität des Einzelnen nichts mehr zu tun
haben. Man leugnet, man verharmlost, man tut, als verstünde
man nicht, warum Dinge geschehen, warum zum Beispiel Kinder
– jetzt Kids – nicht mehr
gehorchen, amoklaufen. – Was ist zu tun? Ich für meinen Teil
boykottiere die Moderne
durch „Nichtbeteiligung“, „Non-Cooperation“, Verweigerung,
zivilen Ungehorsam und
gewaltlosen Widerstand.
4. Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit. – Es ist nicht
so, daß durch Demokratie größere Rechtsstaatlichkeit hergestellt würde:
das Gegenteil ist der Fall. Das Gefühl für Recht ist ein eminent
aristokratisches Gefühl. Die Demokratie, letztlich Pöbelherrschaft, bringt es
nur zu einer formalen Rechtsstaatlichkeit, die sich schnell als lügenhafter
Ersatz für wahres Recht erweist und zuletzt einer Abschaffung desselben
gleichkommt. Für jeden, der den verkommenen politischen Ideologen nicht glaubt,
ist es schon deutlich, ja, überdeutlich zu erkennen, wie das Rechtswesen zerfällt,
wie alle sich nur noch bemühen, formales Recht zu wahren, und auf Formfehler
der andern warten, um zu obsiegen. Und im Grunde zielen die ideologischen
Bewegungen seit dem ausgehenden Altertum ja insgeheim auf Abschaffung des
Rechts zugunsten eines virtuellen Pöbelparadieses, - Strategien zur Abschaffung
des Menschen und des Lebens überhaupt.
Deutschland hat mich um Kindheit und Jugend, dann um den
schönen Beruf besch…. Es hat mich in den
besten Mannesjahren um Familie und
Kinder rechtskräftig besch…. Es hört
auch im Alter nicht auf, mich bezüglich meiner Lebensgestaltung zu besch…. Dafür verwandle ich mich ihm in einen
Haufen von geradezu kosmischem Ausmaß.
Auf dem deutschen Volk lastet wie auf dem jüdischen der
Fluch, sich bei anderen Völkern verhasst zu machen. Wie gut hatte es doch noch
Heine, der nur weinen mußte, wenn er an Deutschland in der Nacht dachte. Die
deutsche Nacht ist mir mit grauenhaften Monstern der Vergangenheit und
Gegenwart bevölkert, daß ich mich mitunter in wüsten Träumen winde.
5. Mit der
rechtswissenschaftlichen Kunst des formallogistischen Analysierens von Fällen,
die im Prüfen und Abhaken von Merkmalen, die alle nicht fehlen dürfen, daß ein
Tatbestand erfüllt sei, besteht, hat
sich mein gesunder Tatsachen- und Bewertungssinn nicht abfinden können; aber
man hat mich schon im Grundstudium bedeutet, daß ein solches Verfahren, das zu
den merkwürdigsten Ergebnissen kam, wenn man die Summe zog, unabdingbar sei und
allein Recht nach dem Gesetz verbürge. Ich gab schließlich, wie alle denkenden
Menschen, den Irrsinn auf.
6. Die christliche
Juristerei ist eine Schule des Hasses und der Wut gewesen; sie hat im
Mittelalter ein Grauen verursacht, wie es noch keines auf Erden gegeben hatte.
Sie war an allen systematischen Verbrechen gegen Menschen, gegen viele
Millionen von Menschen, immer maßgeblich beteiligt.
7. Der Nominalismus
hat mir zur Aufdeckung des wahnhaften Charakters der abstrakten Vorstellungen
verholfen. Auch Stirner ist hier Gold wert: Die Wissenschaft , das sind
die Wissenschaftler, das ist in Zeiten der Pöbelherrschaft das Pack; die Rechtswissenschaft, das sind
die Juristen, das ist in Zeiten der Pöbelherrschaft das Pack, wie es im
Nationalsozialismus Freisler und Konsorten waren. – Die Wahrheit zu sagen ist
in Zeiten der Pöbelherrschaft vielleicht am schwierigsten, weil es niemanden
mehr gibt, der den Philosophen vor dem Pack beschützen könnte. Das Pack ist da
überall und allmächtig; es hat die Attribute, mit denen ausgestattet es sich
den von ihm im Sklavenaufstand erfundenen Gott dachte. – Heute, da alles
christlich eingefälscht ist, soll „Wissenschaft“ der Trick sein, mit dem man um
das Wissen herumkommen will. – In „demokratischer“ Zeit hält Nietzsche jedoch
die Verbindung zum Menschen aufrecht, ähnlich Hölderlins „Hyperion“. Die
parareligiösen Machenschaften der Wissenschaftler waren mir rasch zuwider, als
ich erst einmal ihren Scheinernst und ihre Gleißnerei erkannt hatte, zum
Beispiel bei Bertrand Russell … Das gilt auch für die Rechtswissenschaften. Hier
Humanität erwarten, wirkliche, nicht nur
geheuchelte, hieße auf die Güte des Teufels hoffen. In der christlichen
Rechtsprechung tritt der bösartige Charakter der Ideologie am teuflichsten
zutage.
8. Der Staat als der
neue Götze verkehrt nur noch über seine Priesterschaft, die Juristen, mit dem
Einzelnen. Die weltfremde logizistische Spielerei der Rechtswissenschaft
funktioniert innerhalb des theologischen Grundwillens der Vertilgung des
(bösen, sündigen, schuldigen) Inhalts durch die (reine, gute) Form. Der
logizistische formalrechtliche Überbau hebt das eigentliche Recht auf und macht
den perversen Gottesstaat zum „Rechtsstaat“. Die gräßliche Verdummung durch die
„Aufklärung“, zum Beispiel durch Montesquieu oder den philosophischen
Jammerlappen Rousseau, wurde nicht bemerkt, weil infamerweise immer von
„Vernunft“ die Rede war. Die Transformation von Natur in Widernatur wird als
Fortschritt ausposaunt. Die „Menschenrechte“ sind aufgehoben, aber jeder erhält
eine formalrechtlich korrekte Behandlung. Die Fehler, die Freisler gemacht hat
und die 1944 vom Justizminister gerügt wurden, werden vermieden. Man ließ sich
damals noch durch „Inhalte“ hinreißen, man stand, so gesehen und so unglaublich
das scheinen mag, in seinem Unrecht dem Recht noch näher als das heutige
„Recht“ dem Recht steht.
9. Dem Rechtsstaat
auf den Schlichen. – Ebensowenig wie im Mittelalter kann jemand heute seine
Unschuld beweisen: Die Schuld liegt darin, einen Unschuldigen anzuklagen. Wie
man damals in langen theologischen Traktaten gezeigt hat, daß eine Hexe eine
Hexe ist und man ihr nicht trauen darf, so wird nun die Jurisprudenz als Erbin
der theologischen Spitzfindigkeit bemüht. (1) Was sich vollzieht, ist die
Überwältigung des Rechtsstaats durch den „Rechtsstaat“. Dabei hat die kapitalistische
Vulvokratie dem Juristenstand wie einem Klerus ohne Papst die uneingeschränkte
Suprematie zugespielt. Es geht nichts mehr ohne Anwälte und Gerichte, die sich
jetzt gegenseitig in die Hände arbeiten. Wer vor den neuen Herrn nicht buckelt,
hat gleich verloren. „Nach gewissen Theorien, die sich in unserem neunzehnten
Jahrhundert nur zu deutlich ausgeprägt haben, soll sich Kirche in Staat
verwandeln – gleichsam aus einer niedrigeren Form in eine höhere -, um darauf
ganz zu verschwinden im Staat, indem sie vor der Wissenschaft, dem Zeitgeist
und der Zivilisation zurücktritt, ihnen also einfach Platz macht.“
(Dostojewski, Die Brüder Karamasoff, München 1977, S.102) Mir wurde doch
tatsächlich vom Verwaltungsgericht Berlin ein „Empfangsbekenntnis“ bezüglich
des Erhalts eines Schriftstücks abverlangt!
(1) Die gängige Praxis der Umdatierung, eine Fälschung,
zeigt zum Beispiel, daß es nur um Sicherung der Formalrechtlichkeit geht. Der
Gegenstand der Verfahren tritt zurück, hört auf, Zweck des Verfahrens zu sein.
Das Verfahren wird zur Farce.
10. Der Rechtsstaat
wird zunächst schon daran scheitern, daß die Juristen die deutsche Sprache gar
nicht richtig beherrschen, sondern sich eines schwer verständlichen und
zuweilen bewusst mystifizierenden Kauderwelschs befleißigen, das wie die
Klassenarbeiten schwacher Viererkandidaten im Fache Deutsch gar nicht
korrigierbar ist. Diese Kandidaten entscheiden sich übrigens besonders gern für
das Studium der Rechtswissenschaften. Sie wissen bei der Tatbestandsprüfung
ihre Häkchen so geschickt zu setzen, daß einen denkenden Menschen schwindelt,
und daraus eine Entscheidung abzuleiten, daß einen abermals schwindelt. Und
dann: Wer hätte gedacht, daß Milch „das Gemolk einer oder mehrerer Kühe (ist),
dem nichts hinzugefügt und nichts entzogen worden ist“? Da kommt einem Denken
wie das Gedonk eines oder mehrerer Narren vor … Wer hätte auch gedacht, daß man
mit einem Pferd nicht durch den Wald, wohl aber durch den Verkehr einer
Großstadt reiten darf, daß man für einen Grabstein einer Baugenehmigung bedarf.
Wenn man ein armer Siamese ist, ein Waisenthai sozusagen, darf man zwar
erfahren, wo der Weihnachtsmann mit seinem prallen Sack herkommt, besuchen aber
darf man sein Wunderland nicht, der teure Visumsantrag wird „abglehnt“ (sic!)
Wenn es der Incubus nicht ist, dann eben der Succubus, was zu seiner Abweisung
führt. Die Argumentation erreicht mitunter einen solchen Grad an Willkür, daß
die Auseinandersetzung um Vorurteile den „Rechtsstaat“ ridikülisiert. Wie kann
man glauben, der Großinquisitor werde den Inquisitor ins Unrecht setzen!? Der
Gang durch die Instanzen soll nur das Heer der Juristen versorgen, die den
„Rechtsstaat“ verwalten, während das Recht verkommt. Warum habe ich so lange
gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen? Als Idealist humanistischer
Täuschung dachte ich bei „Mensch“ immer mit Schiller an den „freien, mündigen
Bürger“ und dachte mir den demokratischen Staat als die Organisationsform
solcher Bürger. Der Mensch im allgemeinen hat aber den Adel gar nicht, der für
Werte und wahres Recht Voraussetzung ist. Sein Rechtsstaat kann nur die Fassade
eines Rechtsstaats sein, welche Tatsache sich Hitler zunutze gemacht hat.
11. Daß nun alles
für gleich erklärt wird, als Vorspiel des Nihilismus, mit gleichen Rechten, hat
seinen Grund im logizistisch-nihilistischen Denkansatz, der sich wie ein Krebs
in die Rechtsauffassung und die formal-juristischen Prozesse vorangefressen hat
und im Endstadium vor nichts mehr haltmacht. Jetzt erst ist das Römische Reich
an seinem Ende angelangt. Der Parasit Christentum, der sich bis zuletzt, es
verzehrend, daran angeklammert hat, hängt nun in der Luft und steht unmittelbar
vor dem freien Fall.
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