Freitag, 12. Juni 2015



1.   Über Recht  wird wenig philosophiert  - von wem auch? – und gar keine Kritik an der Rechtsprechung wird laut;  hier fürchten alle die selbstherrliche – da  „göttliche“ – Instanz,
die keiner Kontrolle mehr unterliegt und den Kritiker  krähenmäßig verderben kann.


2.   Formale Rechtsstaatlichkeit  macht noch keinen Rechtsstaat; im Gegenteil muß man sich
fragen, ob sie nicht – wenn losgelöst von der Rechtsrealität – vielmehr Ausdruck eines tiefwurzelnden Einverständnisses mit dem Unrecht, ja, eines Willens zum Unrecht ist. Ich meine den sadistischen Zug in der zwanghaften Korrektheit, die sich ideologisch manipulieren läßt, weil sie unaufrichtig ist.


3.   Hinzu kommt der allgemeine Realitätsverlust. – Die Menschen, vor allen die jungen,
verbringen Zeit um Zeit im Internet, das heißt in einer bloß fingierten Wirklichkeit, und
 verlieren dadurch den Kontakt zur Welt und ihrem eigenen Leben. Im Verwaltungswesen,
im Rechtswesen, in Erziehung und Bildung hat die Datenverarbeitung ihre Inhalte bereits hinter sich gelassen und Selbstläufer inszeniert, die mit der eigentlichen Realität des Einzelnen nichts mehr zu tun haben. Man leugnet, man verharmlost, man tut, als verstünde
man nicht, warum Dinge geschehen, warum zum Beispiel Kinder – jetzt Kids – nicht mehr
gehorchen, amoklaufen. – Was ist zu tun? Ich für meinen Teil boykottiere die Moderne
durch „Nichtbeteiligung“, „Non-Cooperation“, Verweigerung, zivilen Ungehorsam und
gewaltlosen Widerstand.


4.   Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. – Es ist nicht  so, daß durch Demokratie größere Rechtsstaatlichkeit hergestellt würde: das Gegenteil ist der Fall. Das Gefühl für Recht ist ein eminent aristokratisches Gefühl. Die Demokratie, letztlich Pöbelherrschaft, bringt es nur zu einer formalen Rechtsstaatlichkeit, die sich schnell als lügenhafter Ersatz für wahres Recht erweist und zuletzt einer Abschaffung desselben gleichkommt. Für jeden, der den verkommenen politischen Ideologen nicht glaubt, ist es schon deutlich, ja, überdeutlich zu erkennen, wie das Rechtswesen zerfällt, wie alle sich nur noch bemühen, formales Recht zu wahren, und auf Formfehler der andern warten, um zu obsiegen. Und im Grunde zielen die ideologischen Bewegungen seit dem ausgehenden Altertum ja insgeheim auf Abschaffung des Rechts zugunsten eines virtuellen Pöbelparadieses, - Strategien zur Abschaffung des Menschen und des Lebens überhaupt.
Deutschland hat mich um Kindheit und Jugend, dann um den schönen Beruf  besch…. Es hat mich in den besten Mannesjahren  um Familie und Kinder rechtskräftig  besch…. Es hört auch im Alter nicht auf, mich bezüglich meiner Lebensgestaltung zu  besch…. Dafür verwandle ich mich ihm in einen Haufen von geradezu kosmischem Ausmaß.
Auf dem deutschen Volk lastet wie auf dem jüdischen der Fluch, sich bei anderen Völkern verhasst zu machen. Wie gut hatte es doch noch Heine, der nur weinen mußte, wenn er an Deutschland in der Nacht dachte. Die deutsche Nacht ist mir mit grauenhaften Monstern der Vergangenheit und Gegenwart bevölkert, daß ich mich mitunter in wüsten Träumen winde.

5.   Mit der rechtswissenschaftlichen Kunst des formallogistischen Analysierens von Fällen, die im Prüfen und Abhaken von Merkmalen, die alle nicht fehlen dürfen, daß ein Tatbestand  erfüllt sei, besteht, hat sich mein gesunder Tatsachen- und Bewertungssinn nicht abfinden können; aber man hat mich schon im Grundstudium bedeutet, daß ein solches Verfahren, das zu den merkwürdigsten Ergebnissen kam, wenn man die Summe zog, unabdingbar sei und allein Recht nach dem Gesetz verbürge. Ich gab schließlich, wie alle denkenden Menschen, den Irrsinn auf.


6.   Die christliche Juristerei ist eine Schule des Hasses und der Wut gewesen; sie hat im Mittelalter ein Grauen verursacht, wie es noch keines auf Erden gegeben hatte. Sie war an allen systematischen Verbrechen gegen Menschen, gegen viele Millionen von Menschen, immer maßgeblich beteiligt.


7.   Der Nominalismus hat mir zur Aufdeckung des wahnhaften Charakters der abstrakten Vorstellungen verholfen. Auch Stirner ist hier Gold wert: Die Wissenschaft , das sind die Wissenschaftler, das ist in Zeiten der Pöbelherrschaft  das Pack; die Rechtswissenschaft, das sind die Juristen, das ist in Zeiten der Pöbelherrschaft das Pack, wie es im Nationalsozialismus Freisler und Konsorten waren. – Die Wahrheit zu sagen ist in Zeiten der Pöbelherrschaft vielleicht am schwierigsten, weil es niemanden mehr gibt, der den Philosophen vor dem Pack beschützen könnte. Das Pack ist da überall und allmächtig; es hat die Attribute, mit denen ausgestattet es sich den von ihm im Sklavenaufstand erfundenen Gott dachte. – Heute, da alles christlich eingefälscht ist, soll „Wissenschaft“ der Trick sein, mit dem man um das Wissen herumkommen will. – In „demokratischer“ Zeit hält Nietzsche jedoch die Verbindung zum Menschen aufrecht, ähnlich Hölderlins „Hyperion“. Die parareligiösen Machenschaften der Wissenschaftler waren mir rasch zuwider, als ich erst einmal ihren Scheinernst und ihre Gleißnerei erkannt hatte, zum Beispiel bei Bertrand Russell … Das gilt auch für die Rechtswissenschaften. Hier Humanität  erwarten, wirkliche, nicht nur geheuchelte, hieße auf die Güte des Teufels hoffen. In der christlichen Rechtsprechung tritt der bösartige Charakter der Ideologie am teuflichsten zutage.


8.   Der Staat als der neue Götze verkehrt nur noch über seine Priesterschaft, die Juristen, mit dem Einzelnen. Die weltfremde logizistische Spielerei der Rechtswissenschaft funktioniert innerhalb des theologischen Grundwillens der Vertilgung des (bösen, sündigen, schuldigen) Inhalts durch die (reine, gute) Form. Der logizistische formalrechtliche Überbau hebt das eigentliche Recht auf und macht den perversen Gottesstaat zum „Rechtsstaat“. Die gräßliche Verdummung durch die „Aufklärung“, zum Beispiel durch Montesquieu oder den philosophischen Jammerlappen Rousseau, wurde nicht bemerkt, weil infamerweise immer von „Vernunft“ die Rede war. Die Transformation von Natur in Widernatur wird als Fortschritt ausposaunt. Die „Menschenrechte“ sind aufgehoben, aber jeder erhält eine formalrechtlich korrekte Behandlung. Die Fehler, die Freisler gemacht hat und die 1944 vom Justizminister gerügt wurden, werden vermieden. Man ließ sich damals noch durch „Inhalte“ hinreißen, man stand, so gesehen und so unglaublich das scheinen mag, in seinem Unrecht dem Recht noch näher als das heutige „Recht“ dem Recht steht.


9.   Dem Rechtsstaat auf den Schlichen. – Ebensowenig wie im Mittelalter kann jemand heute seine Unschuld beweisen: Die Schuld liegt darin, einen Unschuldigen anzuklagen. Wie man damals in langen theologischen Traktaten gezeigt hat, daß eine Hexe eine Hexe ist und man ihr nicht trauen darf, so wird nun die Jurisprudenz als Erbin der theologischen Spitzfindigkeit bemüht. (1) Was sich vollzieht, ist die Überwältigung des Rechtsstaats durch den „Rechtsstaat“. Dabei hat die kapitalistische Vulvokratie dem Juristenstand wie einem Klerus ohne Papst die uneingeschränkte Suprematie zugespielt. Es geht nichts mehr ohne Anwälte und Gerichte, die sich jetzt gegenseitig in die Hände arbeiten. Wer vor den neuen Herrn nicht buckelt, hat gleich verloren. „Nach gewissen Theorien, die sich in unserem neunzehnten Jahrhundert nur zu deutlich ausgeprägt haben, soll sich Kirche in Staat verwandeln – gleichsam aus einer niedrigeren Form in eine höhere -, um darauf ganz zu verschwinden im Staat, indem sie vor der Wissenschaft, dem Zeitgeist und der Zivilisation zurücktritt, ihnen also einfach Platz macht.“ (Dostojewski, Die Brüder Karamasoff, München 1977, S.102) Mir wurde doch tatsächlich vom Verwaltungsgericht Berlin ein „Empfangsbekenntnis“ bezüglich des Erhalts eines Schriftstücks abverlangt!
(1) Die gängige Praxis der Umdatierung, eine Fälschung, zeigt zum Beispiel, daß es nur um Sicherung der Formalrechtlichkeit geht. Der Gegenstand der Verfahren tritt zurück, hört auf, Zweck des Verfahrens zu sein. Das Verfahren wird zur Farce.


10.   Der Rechtsstaat wird zunächst schon daran scheitern, daß die Juristen die deutsche Sprache gar nicht richtig beherrschen, sondern sich eines schwer verständlichen und zuweilen bewusst mystifizierenden Kauderwelschs befleißigen, das wie die Klassenarbeiten schwacher Viererkandidaten im Fache Deutsch gar nicht korrigierbar ist. Diese Kandidaten entscheiden sich übrigens besonders gern für das Studium der Rechtswissenschaften. Sie wissen bei der Tatbestandsprüfung ihre Häkchen so geschickt zu setzen, daß einen denkenden Menschen schwindelt, und daraus eine Entscheidung abzuleiten, daß einen abermals schwindelt. Und dann: Wer hätte gedacht, daß Milch „das Gemolk einer oder mehrerer Kühe (ist), dem nichts hinzugefügt und nichts entzogen worden ist“? Da kommt einem Denken wie das Gedonk eines oder mehrerer Narren vor … Wer hätte auch gedacht, daß man mit einem Pferd nicht durch den Wald, wohl aber durch den Verkehr einer Großstadt reiten darf, daß man für einen Grabstein einer Baugenehmigung bedarf. Wenn man ein armer Siamese ist, ein Waisenthai sozusagen, darf man zwar erfahren, wo der Weihnachtsmann mit seinem prallen Sack herkommt, besuchen aber darf man sein Wunderland nicht, der teure Visumsantrag wird „abglehnt“ (sic!) Wenn es der Incubus nicht ist, dann eben der Succubus, was zu seiner Abweisung führt. Die Argumentation erreicht mitunter einen solchen Grad an Willkür, daß die Auseinandersetzung um Vorurteile den „Rechtsstaat“ ridikülisiert. Wie kann man glauben, der Großinquisitor werde den Inquisitor ins Unrecht setzen!? Der Gang durch die Instanzen soll nur das Heer der Juristen versorgen, die den „Rechtsstaat“ verwalten, während das Recht verkommt. Warum habe ich so lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen? Als Idealist humanistischer Täuschung dachte ich bei „Mensch“ immer mit Schiller an den „freien, mündigen Bürger“ und dachte mir den demokratischen Staat als die Organisationsform solcher Bürger. Der Mensch im allgemeinen hat aber den Adel gar nicht, der für Werte und wahres Recht Voraussetzung ist. Sein Rechtsstaat kann nur die Fassade eines Rechtsstaats sein, welche Tatsache sich Hitler zunutze gemacht hat.


11.   Daß nun alles für gleich erklärt wird, als Vorspiel des Nihilismus, mit gleichen Rechten, hat seinen Grund im logizistisch-nihilistischen Denkansatz, der sich wie ein Krebs in die Rechtsauffassung und die formal-juristischen Prozesse vorangefressen hat und im Endstadium vor nichts mehr haltmacht. Jetzt erst ist das Römische Reich an seinem Ende angelangt. Der Parasit Christentum, der sich bis zuletzt, es verzehrend, daran angeklammert hat, hängt nun in der Luft und steht unmittelbar vor dem freien Fall.