Dienstag, 31. Dezember 2013

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Wer recht hat, hat auch das Recht und ist Richter. Es würde ja auch keinen Sinn machen, einen anderen - zum Beispiel "einen Esel im roten Barett" - zum Richter zu bestellen. Der Ba (im Lebensmüden, Papyrus Berlin 3024) entscheidet den Streit für sich, Apoll selbst erscheint als Richter im Streit zwischen ihm und Pan (in Bachs Kantate "Geschwinde, geschwinde, ihr wirbelnden Winde") und Nietzsche war sein eigener Gesetzgeber und erteilte sich selbst sein Lob. 
Wer hätte sonst ein Recht dazu gehabt?! Die Idee eines unparteiischen, unabhängigen Richters ist ein nihilistisches Phänomen in der Ideologie des Abendlandes...

Doch woher die Rangordnung und meine abgrundtiefe Verachtung des rohen Haufens? Bei Naturvölkern ist es ja so, daß eine Gleichheit aller als selbstverständlich angenommen wird, selbst wenn sie sich durch ihren Status in der Organisation unterscheiden. Ist also der Wille zur Selbstverantwortlichkeit ein kulturelles Phänomen, das mit der Kultur auch wieder verschwindet, was sich zur Zeit ereignet? Die Masse sackt nach Durchgang durch die Kultur, die Menschen im höheren Sinne emporzüchtete, wieder in die ursprüngliche Gleichheit zurück,- doch jetzt, nach Zerstörung der natürlichen Vernunft, um tierischer als jedes Tier zu sein. Ich glaube, daß es der perverse Rückschritt am demokratischen Fortschritt ist, was mich so gegen ihn aufbringt: Die Verhöhnung der unschuldigen Gleichheit durch ein ideologisch freigesetztes Pack, aus dem jeder Einzelne denkt, etwas Besonderes zu sein. Daß man das Pack adeln könne - durch Theater!! - war eine gründlich falsche Hoffnung Schillers...

Montag, 16. September 2013

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Der Bildungs-Philister, wie Nietzsche ihn beschrieben hat, will gar keine Kultur, Hoffmann hat ihn ja schon vorgezeichnet in seinem "pomadigen Philister", diesem ekelhaften Repräsentanten des Bildungsbürgertums, und sicher hat Nietzsche viel von jenem Johannes Kreisler nachgelebt, dessen Weg in den "Wahnsinn" auch Thomas Mann im "Doktor Faustus" nachgezeichnet hat. Ich rede von den "Lebensansichten des Katers Murr". "Was habt ihr alle gegen diesen Johannes (...) Wißt ihr's nicht? - Nun, so will ich es euch sagen. [vgl. Nietzsches "Der tolle Mensch"] - Seht, der Kreisler trägt nicht eure Farben, er versteht nicht eure Redensarten, der Stuhl, den ihr ihm hinstellt, damit er Platz nehme unter euch, ist ihm zu klein, zu enge; ihr könnt ihn gar nicht für euresgleichen achten, und das ärgert euch. Er will die Ewigkeit der Verträge, die ihr über die Gestaltung des Lebens geschlossen, nicht anerkennen, ja, er meint, daß ein arger Wahn, von dem ihr befangen, euch gar nicht das eigentliche Leben erschauen lasse und daß die Feierlichkeit, mit der ihr über ein Reich zu herrschen glaubt, das euch unerforschlich, sich gar spaßhaft ausnehme, und das alles nennt ihr Verbitterung. Vor allen Dingen liebt er jenen Scherz, der sich aus der tiefern Anschauung des menschlichen Seins erzeugt und der die schönste Gabe der Natur zu nennen, die sie aus der reinsten Quelle ihres Wesens schöpft. Aber ihr seid vornehme, ernste Leute und wollet nicht scherzen. - Der Geist der wahren Liebe wohnt in ihm, doch vermag dieser ein Herz zu erwärmen, das auf ewig zum Tode erstarret ist, ja in dem niemals der Funke war, den jener Geister zur Flamme aufhaucht? Ihr möget den Kreisler nicht, weil euch das Gefühl des Übergewichts, das ihr ihm einzuräumen gezwungen, unbehaglich ist, weil ihr ihn, der Verkehr treibt mit höheren Dingen als die gerade in euern engen Kreis passen, fürchtet." (E.T.A. Hoffmann, Kater Murr, II.Band)
Auch hier wird, wer will es leugnen, die Rangordnung wiederhergestellt.

Und von Kreisler gilt, was Ambrose Bierce einmal so ausgedrückt hat: "I am no investigator with an ear at the key-hole of  Nature's workshops, trying with vulgar curiosity to steal the secrets of her trade. The interests of science are as little to me as mine seem to have been to science." Zugleich, erteilt er dem ganzen häßlichen Amerikanismus mit dieser Äußerung eine wesentliche Abfuhr, kulminiert dessen ganze Denkungsart doch in Ausbeutung!

So exakt die "Natur"-Wissenschaftler bei ihrem fatalen Anschlag mathematischer Natur sind, so falsch liegen alle anderen Wissenschaften in ihren Einschätzungen, da sie von verrückten Voraussetzungen ausgehen. Die Technik als Anwendung der berechnenden "Natur"-Wissenschaften darf uns ob ihrer erstaunlichen Ergebnisse nicht zuversichtlich gegenüber Wissenschaft überhaupt werden lassen! Im Gegenteil!!

"Lernen ist nicht wissen. Es gibt Gelehrte, und es gibt Weise;  das Gedächtnis schafft die einen, die Philosophie die anderen." Kann man die Philosophie nicht "lernen?" 
"Die Philosophie lernt sich nicht, sie ist die Durchdringung des Wissens, das sich ein Genie angeeignet hat." (Dumas: Der Graf von Monte Christo, Gütersloh 1959, S.101)

Freitag, 16. August 2013

Über Rangordnung

Zurück zur Wiederherstellung der Rangordnung. Und da bin ich schon wieder bei Schopenhauer: "Ueber Polygamie ist gar nicht zu streiten, sondern sie ist als eine überall vorhandene Thatsache zu nehmen, deren bloße Regulirung die Aufgabe ist. Wo giebt es denn wirklich Monogamisten? Wir alle leben, wenigstens eine Zeit lang, meistens aber immer, in Polygamie. Da folglich jeder Mann viele Weiber braucht, ist nichts gerechter, als daß ihm frei stehe, ja obliege, für viele Weiber zu sorgen. Dadurch wird auch das Weib auf ihren richtigen und natürlichen Standpunkt, als subordinirtes Wesen, zurückgeführt, und die Dame, dies Monstrum Europäischer Civilisation und christlich-germanischer Dummheit, mit ihren lächerlichen Ansprüchen auf Respekt und Verehrung, kommt aus der Welt, und es giebt nur noch Weiber, aber auch keine unglücklichen Weiber mehr, von welchen jetzt Europa voll ist." (Parerga, § 370) 
Das war schon Wiederherstellung der Rangordnung in einem wesentlichen Punkte. Im übrigen wird im Zusammenhang mit dieser Schopenhauer-Stelle endlich der Peitschenspruch Nietzsches klar. "Du gehst zu Frauen? Vergiß die Peitsche nicht!" schreibt Nietzsche - und er schreibt eben nicht "Weiber". Die Frauen sind es, denen man sich nur bewaffnet stellen sollte, und nicht die Weiber! Daß das in weit über hundert Jahren keinem Leser aufgefallen zu sein scheint, zeigt doch, wie sehr es mit dem genauen und bewußten Lesen im argen liegt!!

In einem anderen nicht minder wesentlichen Punkte stellt Schopenhauer die Rangordnung folgendermaßen wieder her: "Daß die niedrigste aller Geistestätigkeiten die arithmetische sei, wird dadurch belegt, daß sie die einzige ist, welche auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann (...)
Nun läuft aber alle analysis finitorum et infinitorum im Grunde doch auf Rechnerei zurück. Danach bemesse man den "mathematischen Tiefsinn", über welchen schon Lichtenberg [Vermischte Schriften, I, 198] sich lustig macht, indem er sagt: "Die sogenannten Mathematiker von Profession haben sich, auf die Unmündigkeit der übrigen Menschen gestützt, einen Kredit von Tiefsinn erworben, der viel Aehnlichkeit mit dem von Heiligkeit hat, den die Theologen für sich haben." (Parerga § 356 ) Man denke nur an die Verehrung, die der durch seine Äußerungen als relativ dumm ausgewiesener Albert Einstein genießt: Er gilt für viele als der Inbegriff menschlicher Intelligenz und ist doch nur ein Zweifelhaftes Allerweltslichtlein, dessen "Verdienst" darin besteht, der Menschheit erheblich geschadet zu haben, was aber von all den verwissenschaftlichen Dummköpfen noch gar nicht gesehen wird, die immer noch von Fortschritt reden, wo eben der Sumpf über den wirklichen Errungenschaften der "Menschheit" zusammenschlägt. Der Kultur Vertreter warnen seit hundert Jahren, ja länger schon,- aber man will gar keine Kultur mehr...

Samstag, 6. Juli 2013

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Da wurde Kritik geübt an meiner Feststellung, Nietzsche habe sich auf die tierische Natur des Menschen zurückbesonnen, um von ihr ausgehend seine Feststellung neu zu sondieren. Was soll denn daran auszusetzen sein? Freilich, neu ist der Gedanke nicht: Schopenhauer wollte mit ihm den Tieren zu ihrem Recht verhelfen, Nietzsche dem höheren Menschen, den er sich als freies, das heißt ungezähmtes und undressiertes Tier, als das, was der Römer mit bestia bezeichnete, vorstellte. Seine "blonde Bestie" hat gar nichts mit einer christlichen Bestie zu tun, sondern mit dem Dionysos des Euripides, dem Gegensatz des Pantheus, dem Gott mit dem Tierfell und blonden Locken. Doch kurz zurück zu Schopenhauers "Vermenschlichung" der Tiere: "Aller Juden-Mythologie und Pfaffen-Einschüchterung zum Trotz muß auch in Europa endlich die, jedem Menschen von unverdrehtem und durch keinen foetor Judaicus benebelten Kopf ganz von selbst einleuchtende und unmittelbar gewisse Wahrheit zur Geltung gelangen, und nicht länger vertuscht werden: daß die Thiere, in der Hauptsprache und im Wesentlichen, ganz das Selbe sind, was wir, und daß der Unterschied bloß im Grade der Intelligenz, d.i. Gehirnthätigkeit, liegt, welcher jedoch ebenfalls zwischen den verschiedenen Thiergeschlechtern große Unterschiede zuläßt; damit den Thieren eine menschlichere Behandlung werde. Denn erst, wann jene einfache und  über allen Zweifel erhabene Wahrheit in's Volk gedrungen seyn wird, werden die Thiere nicht mehr als rechtlose Wesen dastehn und demnach der bösen Laune und Grausamkeit jedes rohen Buben preisgegeben seyn;- und wird es nicht jedem Medikaster freistehn, jede abenteuerliche Grille seiner Unwissenheit durch die gräßlichste Quaal einer Unzahl Thiere auf die Probe zu stellen; wie heut zu Tage geschieht." (Schopenhauer, Parerga, § 177)
Und noch ein Passus aus demselben Paragraphen: "Der Schutz der Thiere fällt also den ihn bezweckenden Gesellschaften und der Polizei anheim, die aber Beide gar wenig vermögen gegen jene allgemeine Ruchlosigkeit des Pöbels, hier, wo es sich um Wesen handelt, die nicht klagen können, und wo von hundert Grausamkeiten kaum Eine gesehn wird, zumal da auch die Strafen zu gelinde sind. In England ist kürzlich Prügelstrafe vorgeschlagen worden, die mir auch ganz angemessen scheint. Jedoch, was soll man vom Pöbel erwarten, wenn es Gelehrte und sogar Zoologen giebt, welche, statt die ihnen so intim bekannte Identität des Wesentlichen in Mensch und Thier anzuerkennen, vielmehr bigott und bornirt genug sind, gegen redliche und vernünftige Kollegen, welche den Menschen in die betreffende Thierklasse einreihen, oder die große Aehnlichkeit des Schimpansees und Orang-Utans mit ihm nachweisen, zu polemisiren und zelobisiren. Aber wirklich empörend ist es, wenn der so überaus christlich gesinnte und fromme Jung-Stilling, in seinen "Scenen aus dem Geisterreich" Bd.2 Sc.1. S.15, folgendes Gleichniß anbringt: "Plötzlich schrumpfte das Gerippe in eine unbeschreiblich scheußliche, kleine Zwerggestalt zusammen; so wie eine große Kreuzspinne, wenn man sie in den Brennpunkt eines Zündglases bringt und nun das eiterähnliche Blut in der Glut zischt und kocht." Also eine solche Schandtat hat dieser Mann Gottes verübt, oder als ruhiger Beobachter mit angesehen,- welches, in diesem Falle, auf Eins hinausläuft; - ja, er hat so wenig ein Arges daraus, daß er sie uns beiläufig, ganz unbefangen erzählt! Das sind die Wirkungen des ersten Kapitels der Genesis und überhaupt der ganzen Jüdischen Naturauffassung. Bei den Hindu und Buddhaisten hingegen gilt die Mahavakya (das große Wort) "Tat-twam asi" (Dies bist du), welches allezeit über jedes Thier auszusprechen ist, um uns die Identität des innern Wesens in ihm und uns gegenwärtig zu erhalten, zur Richtschnur unseres Thuns. - Geht mir mit euerer allervollkommensten Moral. - " Wenn man bedenkt, daß dies vor circa 170 Jahren geschrieben wurde, so muß man beklagen, wie wenig Fortschritte die Vernunft in dem langen Zeitraum selbst hinsichtlich einer "ganz von selbst einleuchtenden und unmittelbar gewissen Wahrheit" gemacht hat und wie hingegen die Absurditäten der modernen Ideen ins Kraut geschossen sind.

Vielleicht kann ich meine tierliebenden Kinder dafür gewinnen, sich mit mir aggressiv für den Tierschutz einzusetzen. Um Mitteilung von guten Ideen wird gebeten... Es könnte sich auch der Friedrich Haller Verlag - hier am Nietzsche Haus in Dong Bang Yai zieht soeben ein dionysischer Chuchok-Bacchantenzug mit Musik vorbei - ja, er müßte in einer diesbezüglichen Abteilung mit dementsprechender Literatur für die mißhandelte Kreatur eintreten, in der Art, wie Schopenhauer den Professor Ludwig Fick in Marburg gefickt hat.

Sonntag, 23. Juni 2013

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Es sind Klagen laut geworden, ich würde nicht dezidiert auf die Einwürfe irgendwelcher Leser antworten. Dazu ist zu sagen, daß ich auf alles sofort antworten werde, sobald ich mich selbst überzeugt haben werde, daß es sich bei mir nicht um die Black Box des 20. Jahrhunderts, ja mehr handelt, sondern um einen Allerweltskopf, einen gewöhnlichen Schafskopf, der irgendwie auf die Schrulle, etwas Besonderes zu sein, verfallen ist, jenem Nazarener gleich, der im geistigen Umfeld religiösen Wahns sich für den Sohn Gottes hielt. 

Ich bitte, für den einen wie für den anderen Fall, mich vorläufig zu entschuldigen und meine Antworten, die ich sehr wohl gebe, aus dem fortschreitenden Text zu entnehmen. Dann wird sich auch die Frage erledigen, was ich eigentlich will. Was kann ein wirklicher Philosoph denn anderes wollen, als die Rangordnung wiederherstellen, die durch naturwidrige Ideologien durcheinander geraten ist?!

Dienstag, 18. Juni 2013

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Eigentlich sollte ich mich mit der Welt auf einen versöhnlichen Fuß stellen. Die Menschheit läßt sich nicht erziehen, heute weniger denn je, und man wird sich auf lange Zeit mit dem Barbarischen arrangieren müssen. Man sollte sich also nicht von Lumpen hinters Licht führen lassen, wenn sie von Bildung reden. 

Und eines will ich zu Bedenken geben: "Der schlechte Vater ist noch immer viel besser als jeder gute Erzieher, mein' ich, und mir schauert die Haut, wenn Eltern in lieblosem Unverstande ihre Kinder von sich lassen und verweisen in diese, jene Erziehungsanstalt, wo die Armen ohne Rücksicht auf ihre Individualität, die ja niemanden anders als eben den Eltern recht klar aufgehen kann, nach bestimmter Norm zugeschnitten und appretiert werden." (E.T.A. Hoffmann, Lebensansichten des Katers Murr, Insel Verlag S. 111 f.) Was hätte Hoffmann wohl dazu gesagt, wenn heutzutage dem guten Vater das Kind weggenommen und eher einem Heim als ihm überantwortet wird, wie mir unterm Strich mit meinem jüngeren Sohn geschehen. Ich muß für die Heimunterbringung bezahlen. Die Jugendämter Ahrweiler und Bonn haben dabei ihrerzeit eine Stinkerolle gespielt. Ich erinnere mich besonders an eine Frau Schubert und ihren Gehilfen, einen Herrn Golly...Das tröstet mich ein winziges bißchen über dieses schreckliche Internet hinweg, daß auch solche Leute sich nicht mehr ungenannt auf ihr Altenteil zurückziehen können, wie Schopenhauer die Tierquäler Professor Ludwig Fick in Marburg und Baron Ernst von Bibra zu Nürnberg zu unsterblichen Monstern gemacht hat.

Montag, 3. Juni 2013

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Heute bitte ich im Sinne Schopenhauers (Parerga, Über Schriftstellerei und Stil) künftige Rezensenten meiner Gedanken ihre Anonymität aufzugeben und sich argumentativ unter ihrem ehrlichen Namen zu äußern!
Eine anonyme Reaktion von Anfang April, derer ich während meiner Reise zum Nietzsche-Haus in Chaiyaphum ansichtig wurde, insinuiert, daß die von mir gescholtenen Religionen Bollwerke gegen die diagnostizierte Depravation seien,- wie wenn ich Ursache und Wirkung verwechselte. Es ist kein Widerspruch, daß das Christentum als Religion an den von ihm gerufenen Geistern, nachdem sie sich emanzipiert, zugrunde geht, sie stellen ja auch selbst gar kein Bollwerk mehr dar, sondern kämpfen um ihr dummes Überleben.
Alles, was heute der christlichen Religion entgegengehalten wird, ist zutiefst christlichen Ursprungs, was ein naiver Betrachter nur schwer erkennen kann, etwa so, wie man es nicht glauben sollte, daß der die Raupe verneinende Schmetterling aus derselben hervorgegangen ist. Erst Nietzsche entdeckte den christlichen Hintergrund Schopenhauers, ahnte "christliche Antriebe" (Jaspers) in seinen eigenen Gedankenbewegungen, und ohne die christliche Erziehung zum Haß (auf den Teufel- und alles war Teufel, was nicht Gott war) wäre auch mein Haß nicht der, der er ist. Das Symbol Christi sogar, der Fisch, wiewohl immer erklärt mit der Buchstabenfolge des griechischen Worts für "Fisch" (ichtüs = iesus christos theou (h)üos soter), war bei den damaligen Kulturen des Mittelmeerraumes das Symbol für kalten Haß.

Doch Schluß mit all der Hasserei! Lassen wir Schopenhauer das Schlußwort sprechen:
"Es giebt doch keine größere Erquickung für den Geist, als die Lektüre der alten Klassiker: sobald man irgend einen von ihnen, und wäre es auch nur auf eine halbe Stunde, in die Hand genommen hat, fühlt man alsbald sich erfrischt, erleichtert, gereinigt, gehoben und gestärkt; nicht anders, als hätte man an der frischen Felsenquelle sich gelabt. Liegt Dies an den alten Sprachen und ihrer Vollkommenheit? oder an der Größe der Geister, deren Werke von den Jahrtausenden unversehrt und ungeschwächt bleiben? Vielleicht an Beidem zusammen. Dies aber weiß ich, daß wenn, wie es jetzt droht, die Erlernung der alten Sprachen ein mal aufhören sollte, dann eine neue Litteratur kommen wird, bestehend aus so barbarischen platten und nichtswürdigem Geschreibe, wie es noch gar nicht dagewesen; zumal da die deutsche Sprache, welche doch einige der Vollkommenheiten der alten besitzt, von den nichtswürdigen Skriblern heutiger "Jetztzeit" eifrig und methodisch dilapidirt und verhunzt wird, so daß sie allmälig, verarmt und verkrüppelt, in einen elenden Jargon übergeht." (Parerga, Über Lesen und Bücher, § 296a)

Sonntag, 26. Mai 2013

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Also sprach Zarathustra - und nicht, was Schopenhauer insinuiert, wenn er das Judentum von den Persern herkommen läßt. Was das Christentum betrifft, das er plötzlich aus Indien kommen läßt und gutheißt, wenn er unbewußt an die Herkunft seiner eigenen Philosophie rührt, so muß er seine liebe Not mit der völligen Verwerfung desselben als Ausgeburt der Hölle gehabt haben. Den Widerspruch beim Scharfsichtigsten der Scharfsichtigen versucht Nietzsche im Antichristen zu beseitigen. Mit dem Zarathustra wollte er, wie eben schon angedeutet, gegen Schopenhauer klarstellen, daß die Zendreligion weder vom Judentum abstammt noch das Judentum von ihr.
Meines Erachtens ist das Judentum eine völlig pervertierte Form ägyptischer Elemente, dazu angetan, die Ägypter zu unterminieren, wie das Christentum später Rom unterminieren sollte. Der Haß aller auf der Folter und den Scheiterhaufen verendeter Opfer des Christentums und ihre Flüche sind mein Haß auf das Christentum und meine Flüche gegen die Christen. Es muß sich doch endlich einer ihrer annehmen! Das darf doch nicht alles vergessen sein!

Ich sitze hier in dem angeblich so grausamen Urwald und beobachte seine Tiere und Pflanzen, die sich alle irgendwie arrangiert haben miteinander. Und dann stellte ich mir vor, wie die christlichen Teufel, "Entdecker" genannt, mit ihren Kanonen durch den Urwald Mittelamerikas hindurchgewütet sind von einer Küste zur anderen. Wenn es den christlichen Gott gäbe, er hätte seine Anhänger längst alle vertilgt. Aber er ist ja nur die scheußlichste Finesse des Teufels,- oder wie Schopenhauer mehrfach das spanische Sprichwort zitiert: Detras de la cruz está el diabolo.

Samstag, 18. Mai 2013

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Eine zweite Reaktion auf meine Eintragungen versucht zu zeigen, wie erfrischend neu und befreiend das Christentum in den Wirren einer dekadenten Antike aufgetreten sein muß. Diese Sehweise ist ganz von christlichen Darstellungen eingefärbt und verfärbt. Nero war nicht der Hollywood-Wüterich, und einem Julian war niemand gewachsen; er überragte zum Beispiel Konstantin bei weitem, der seine Frau umbringen ließ und es dann bereute. Vierhundert Jahre hat das Christentum gebraucht, um die römische Kraft zu unterminieren. Niemand brauchte zur glücklichen Zeit unter Augustus einen Erlöser. Was die Behandlung römischer Sklaven verglichen mit derjenigen der Sklaven christlicher Sklavenhalter auf den Zuckerrohrplantagen betrifft, so gibt hierüber die Geschichte von Palmares z.B. Auskunft und Schopenhauer in seinen Parerga, Kapitel 15.

Das war einmal wieder wichtig, in Schopenhauers Parerga über die Bestialität des Christentums zu lesen, wie sie dem Vanini die Zunge herausgeschnitten, bevor sie ihn verbrannt haben, weil er etwas Vernünftiges gesagt hatte. Und eine Religion mit einer solchen Geschichte wird in der westlichen Welt geduldet, kann Staatsreligion sein, die Regierung stellen, die sich über die Verbrechen des Dritten Reichs entrüstet! Hört denn der Irrsinn nie auf!? Aber die "affenartige Weiberveneration" des Mittelalters, von der Schopenhauer meint, daß sie noch nachwirke: Oh, hätte er gesehen, daß sie erst jetzt, einhundertfünfzig Jahre nach seinem Tod, dem Höhepunkt zustrebt! Aber es gibt Unglaublichkeiten, gerade auch im zwischengeschlechtlichen Bereich, vor denen auch der Scharfe Verstand eines Schopenhauers stillsteht. Erschütternd wahr und lesenswert ist auch, was Schopenhauer über die durch die jüdisch-christliche Religion verursachte Grausamkeit gegen Tiere sagt. Der ganze §177 sollte nach der Grundschule jedem weiteren Schulunterricht oder Studium als Pflichtlektüre vorangestellt werden.

Mittwoch, 8. Mai 2013

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Da wurde mir telefonisch die erste Reaktion auf meine Blogeintragungen vorgelesen: Eine merkwürdige Mischung aus schnodderiger Relativierung meines Versuchs, eine thailändische Insel zum "Sitz für Einsame und Zweisame, um die der Geruch stiller Meere weht", zu stilisieren und wertvoller Worte zu Goethes Kenntnis der Dimension, die den Edlen ewig von den Muckern trennt, die ich in einem Gedicht einmal als die "Glugschröpfköpfe" bezeichnet habe, wozu zum Beispiel die deutschen Atomphysik-Hansel zu rechnen sind, die sich am Kriegsende nach Amerika verzogen haben, um auf der moralisch sicheren Seite zu sein und den Opppenheimer zu machen und mit dem "Little Boy" davonzukommen. Da hängte sich denn auf pseudokritischer literarischer und totlangweiliger Seite der triviale Dürrenmatt für die Schulen in die Sache und zeigte, wie furchtbar das alles sei. Damit hatte die Schule, wie immer hinter den Fakten herhinkend, ihre Schuldigkeit getan, zumal es ja denn da auch noch den "Besuch der alten Dame" gab.
"Homo Faber" von Frisch wird glücklicherweise erst gar nicht verstanden, wie der Film beweist, der Frischs Botschaft einfach ignoriert, ja teilweise ins Gegenteil verkehrt: Tüchtiger kapitalistischer Physiker verliebt sich, ohne es zu wissen, in die eigene Tochter, tragisch, tragisch, dumm gelaufen...
Welch verheerendes Monster Frisch tatsächlich in Walter Faber als Allegorie des abendländischen Menschen der Neuzeit analysiert, werde ich einmal genauer zeigen müssen, wenn ich das Buch zur Hand habe. Ich sitze zurzeit nämlich wieder am Strand von Koh Phayyam, wo ich soeben eine neue Ballade, "Prokrustes", vollendet habe, die man in nr. 70 meiner Zeitschrift "Osiris Philosophos" im Sommer abgedruckt finden kann.

Dienstag, 30. April 2013

Gedanken zu "Also sprach Zarathustra"

Ich habe mir heute einige Gedanken zum Übermenschen-Buch "Also sprach Zarathustra" gemacht. Wie soll man "also" verstehen? Wieso Vergangenheit und der Anschein des Historischen, da Zarathustra doch weiter von der Historie entfernt ist als Schillers Jungfrau von Orleans von Jeanne d'Arc? Hat es den Sinn von Platons Atlantis-Erzählung? Was ist die Bedeutung der Schlußformel? Ist es ein Catonisches ceterum censeo? Nimmt das sprach nicht gegen Ende ab gegenüber dem Tun? Warum Zarathustra? Also bezieht sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form: der große Stil, Les Préludes, Enstehungsgeschichte des Übermenschen. Fünfmaliges a, deshalb wohl nicht Zoroaster. Ecce: Grundkonzeption ist der Ewige-Wiederkunfts-Gedanke: vielleicht auch deshalb die Formel als Überschrift. Zarathustra ist Musik, ist ein Typus, der Nietzsche überfiel. Seine physiologische Voraussetzung ist die große Gesundheit. Der Begriff "dionysisch" ist hier höchste Tat, "daß Dante, gegen Zarathustra gehalten, bloß ein Gläubiger ist". Fröhliche Wissenschaft nr. 84, 341, 342, 347
Genealogie der Moral, Vorrede 8: Zarathustra besteht demnach aus Aphorismen, von denen einer in der 3. Abhandlung ausgeführt ist.
GM II. Kap. Schluß
Letztes Kapitel -> Erstes Kapitel
GM II nr. 25: Zarathustra ist nicht Nietzsche, sondern ein Zukünftiger.

Noch einige Notizen:
zu Z. "ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde" (VIII/3 S.324)  
zu den Schritten des Einsiedlers: 
  JGB nr. 289
zum Abschied von dem Heiligen: 
  vgl. V/2 S.486
  vgl. Byron, Manfred III/1 
zur Rede an die Sonne:
  vgl. Manfred III/2
Philosophie des Mittags -> Giacomo Leopardi (siehe Vossler S.68 f.)  

Donnerstag, 18. April 2013

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Wenn man das Phänomen "Nietzsche" untersucht, so zeigt sich, um es mit Sulzers Definition des "Naiven" zu sagen "daß es seinen Ursprung in einer mit richtigem Gefühl begabten, von Kunst, Verstellung, Zwang und Eitelkeit unverdorbenen Seele habe. Die Einfalt und Offenherzigkeit im Denken, Handeln und Reden, die mit der Natur übereinstimmt, und auf welche nichts Willkürliches oder Gelerntes von außenher den geringsten Einfluß hat, insofern sie gegen das Feinere, überlegtere, mit aller Vorsichtigkeit das Gebräuchliche nicht zu beleidigen Abgepaßte absticht, scheinet das Wesen des Naiven auszumachen. Es äußert sich in Gedanken, im Ausdruck, in Empfindungen, in Sitten, Manieren und Handlungen". (Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste)

Nietzsche mit Einfalt in Verbindung zu bringen, scheint mir legitim, nachdem Schiller in seiner Schrift "Über naive und sentimentalische Dichtung" Goethe als naiven Dichter gekürt und die Einfalt mit dem ruhigen, unbeirrten Wirken der Natur aus sich heraus gleichgesetzt zu haben scheint. Nietzsche ist in einem noch tieferen Sinne klassisch, als Winckelmann das Klassische der Griechen definiert hat. Nietzsche ist tatsächlich "Schüler des Dionysos". Er entdeckt neu die tierische Natur des Menschen. Tiere sind jenseits von Gut und Böse, mithin "gut". Der Mensch - wahnhaft von den Tieren unterschieden - ist in Gut und Böse verstrickt, mithin "böse", wie Schopenhauer richtig erkannt hat. Erst der Mensch, der anerkennt, daß er Tier ist, kommt wieder jenseits von Gut und Böse zu stehen: erst nach dieser Feststellung ist er (wieder) "gut". Jetzt erst kann er sinnvoll festgestellt werden.


Freitag, 12. April 2013

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Das Übermenschliche , wie Nietzsche es scheute, wirft zuerst seinen Schatten voraus, das das Menschenmögliche übersteigende Ungeheuerliche der weltverschlingenden Datenverarbeitung: Es ist ja eigentlich auch klar, daß die wahnwitzige Fehlentwicklung erst ihren Scheitelpunkt erreichen muß, eh eine Umkehr wirklich in Gang kommen kann, muß doch erst die christliche Religion als der Stützpfeiler der Pöbelherrschaft gänzlich vernichtet sein. Dann wäre die derzeitige allgemeine Verrohung ja vielleicht ein gutes Zeichen!?

Es ist so schwer, die einfachsten Entwicklungen vorauszusagen!
Wer hätte vor dreißig Jahren das völlige Ende des Kommunismus vorauszusagen gewagt? Die völlige Blödsinnigkeit der Lehren von Marx und Engels, der Geschichtsphilosophie des dialektischen Materialismus, welcher Philosophie sich unter dem Druck des Zeitgeistes selbst Denker vom Niveau Sartres ernsthaft zuwenden zu müssen glaubten! Welch groteske Verirrung der sogenannten Frankfurter Schule! Welch lächerliche Totgeburt der damals so hoch ernst genommene Georg Lukácz! Das muß man Nietzsche auch ungeheuer hoch anrechnen, daß er Marx kein einziges Mal erwähnt hat, der doch schon Heine ein wenig verrückt gemacht hatte mit seinen Ideen! 

Donnerstag, 4. April 2013

Eröffnung des Nietzsche-Hauses



Im Zusammenhang mit den Bemühungen des Haller-Verlags um Nietzsche habe ich nicht zuletzt auch aufgrund meiner intimen Kenntnis der systemimmanenzbedingten Unzulänglichkeit der Silser Veranstaltungen ein Nietzsche-Haus in Thailand eröffnet, das in der Abgeschiedenheit eines Dorfes in den Reisfeldern bei Chaiyaphum allen Freunden echter Bildung offensteht (20,- Euro tgl. Vollpension).
Bei genügend Anklang könnten kleine Kolloquien veranstaltet werden. Mögliche Besucher werden gebeten, sich über den Verlag mit mir in Verbindung zu setzen.

Freitag, 22. März 2013

Die Vorrede Zarathustras

Doch wieder zurück zu Nietzsche: Vor vierzig Jahren habe ich einen Text zur Vorrede Zarathustras verfaßt, von dem ich jüngst einen ganzen Tag lang nicht wußte, ob ich ihn einer schwachsinnigen wissenschaftlichen Ambition im Zusammenhang mit meiner Promotion zuschreiben und verbrennen sollte oder ob er doch auch irgendwie akzeptabel ist. Ich rücke ihn hier, einigermaßen korrigiert, ein. Vielleicht provoziert er ja die eine oder andere Stellungnahme:

Ich verstehe die Vorrede Zarathustras einmal als Rede vor seiner Rede, die Herkunft der Rede bezeichnend, die Rede antizipierend. Ich glaube, die Notwendigkeit aller vier Teile des Zarathustra aus der Vorrede zeigen zu können: Zarathustra ist gewissermaßen das Seil zwischen den identischen Türmen der Vergangenheit und der Zukunft, - identisch in ewiger Wiederkunft des Gleichen; er erlebt sich auf sich gestellt als Seiltänzer, als eine Stelle in der Rangordnung des Seins, als Seienden, als Wertträger. Er wird angetrieben von dem, was er werden muß, was er ist, das aber aus dem kommt, was er war. Er überspringt sich selber, und sein Untergang beginnt immer aufs neue, wenn er sich vom alten Menschen löst. Die Selbstüberwindung gibt ihm das Recht, als Visionär des Übermenschen aufzutreten, der um die ewige Wiederkunft weiß. So erweist sich die Vorrede zugleich als Vorausrede hinaus in die Zukunft.

Dienstag, 5. März 2013

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Doch auch Goethes Urteile befremden mitunter. Was soll man von seiner Hochschätzung von Othos Freitod halten, von welchem Kaiser man sonst als von einem erschlafften und feigen Greise liest? Die Ahasver-Darstellung, andrerseits, hat mich zu einer Ballade inspiriert, in der es das Glück des Schusters ist, nicht zugrunde gehen zu müssen. (Die Ballade findet sich in der Zeitschrift des Nietzsche-Kreises „Osiris Philosophos“ nr. 68 die für 6,00 € beim Haller-Verlag zu bestellen ist.) Die Telephos-Geschichte, ebenso in „Dichtung und Wahrheit“ ausgesprochen, wird mein nächster Balladenstoff sein. Wie verwundete sich die heldische Antike selbst, daß sie „aus sophistischem Sack mit Gier das Erkenntnisgebrock nagte“ (Aristophanes, Die Wolken, 923 f.), bis sie im Rückgriff auf sich selber genesen kann? (-> Rettung der Sophia, 13. Daimon, „Stern von Siegburg“) Wie konnte aus Recht Unrecht (das Sokrates propagiert) werden, das „geschniegelte Laffen“ im Namen des „großen Lümmels“ (Heine) sprechen, wie es Montesquien ersponnen hat? Ich empfehle die Lektüre der Contes cruels von Villiers de L’Isle-Adam: „Vox populi“ atmet die Verachtung des großen Haufens und in „Deux augures“ erfährt man: „il est impossible de devenir une canaille sincère; il faut le don! Il faut…l’onction! C’est de naissance“. Wie aber konnte es der geborenen Canaille gelingen nach oben zu kommen? Wie konnte im tausendjährigen Rom ein Wahnsinn von Religion Fuß fassen und sich durchsetzen? Dies war nur möglich durch die nihilistische Vorarbeit der Platoniker, die die alten Mythen zerstört hatten, und die Gutmütigkeit der Stoiker, die den kleinen Leuten, den Sklaven und Freigelassenen zu viel Raum ließ. Immerhin hat es noch drei Jahrhunderte gedauert, bis Konstantin das Reich zerstörte. Hat er sich bei der Einführung des Christentums überhaupt etwas gedacht?

Sonntag, 3. Februar 2013

Menschen und Leute



Man wird beim Künstler Nietzsche und beim letzten Schüler des Dionysos diese Position wiederfinden: der Tänzer und der Reiter müssen Herr ihres Schwerpunktes bleiben, wenn anders sie nicht abstürzen wollen wie die moderne, „wissenschaftliche“ Gesellschaft säkularisierter Gottesnarren. Weiterhin – und das scheint Nietzsche nicht gesehen zu haben, und mich lehrt es jetzt der Buddhismus – ist das das abendländische Gebahren das aufgrund eines übertriebenen Individualismus in Verbindung mit dem Wahrheits-Wahn bei weitem aggressivste Sozialverhalten: da ist der Einzelne konfrontiert mit Gott und muß seine Seele vor ewiger Verdammnis retten durch die Suche nach Wahrheit und ihrer Moral, die als seiner Wahrheit und ihrer Moral diametral entgegengesetzt konzipiert worden sind von Systemfeinden des späten Altertums. Er muß gewissermaßen seine persönlichen Bindungen zu den Menschen, sein natürliches Wohlverhalten aufgeben, um sie wie Feinde gewissermaßen aus Pflicht lieben zu können,- wobei es gewöhnlich beim absurden Wortgeklingel und Buberschen und Frommschen Klimmzügen bleibt, bleiben muß. Ob Schiller so etwas geahnt hat bei seiner berühmten Kantkritik in dem Gedicht „Die Philosophen“? Die Ehrfurcht vor den Eltern, dem Alter, die schützende Liebe zu den Kindern ist dem rohesten Egoismus gewichen, dem das ungehemmte Ausleben der Perversion als Selbstverwirklichung in Meinungsfreiheit gilt. Die häßlichste Gier ist da und das Verhängnis immer offener, seit Platon die Wahrheit für „schön“ erklärt und das heldische Ethos auf die Offenlegung der Wahrheit gewendet hat, die zuvor durch eben dieses Ethos vermieden und überwunden wurde als der penetrante böse Blick. Thersites hat mit seinen Anwürfen ja recht; aber er wird von Odysseus einfach niedergeschlagen. „Die Menschen“, das sind die Leute, die man einfach in ihrer Gemeinheit abstoßend finden muß, wenn man nicht selbst dazugehört; man vermutet bei ihnen immer einen Menschen; es sind aber keine, es sind nur Leute. Ein wirklicher Mensch ist fast schon ein Übermensch, wenn er von den verderblichen Schlacken einer gemeinen Gesellschaft gereinigt ist. Goethe berichtet in „Dichtung und Wahrheit“ von lauter vortrefflichen Männern und Frauen, die er allerorten getroffen hat. Gab es denn vor zweihundert Jahren so viele treffliche Menschen – oder hat er sich und uns etwas vorgemacht? Könnte ich doch einen einzigen von ihnen einmal eine halbe Stunde sprechen! Lavatern möchte ich allzu gerne kennengelernt haben, der ja eine außerordentliche Erscheinung gewesen sein muß, allein schon, um zu verstehen, daß er für Lenz keine Hilfe sein konnte. Was war mit Lenz? Trachtete er wirklich, einem ihm wohlgesinnten Goethe zu schaden? Warum wurde er von Büchner bemüht? Um Lavatern und Goethe in ein schlechtes Licht zu rücken? Und Goethe selbst? Sucht er auf eine unheimliche Weise allen gerecht zu werden, ein Olympier des Urteilsvermögens?

Mittwoch, 23. Januar 2013

Die Wissenschaft



Wissenschaft ist die „Erkenntnis“-Form des kleinen Mannes, des Duckmäusers, der mitreden will. „I am no investigator with an ear at the key-hole of Nature’s workshop, trying with vulgar curiosity to steal the secrets of her trade. The interests of science are as little to me as mine seem to have been to science.” (Ambrose Bierce) Dies war Nietzsches früher und dann wieder später Standpunkt, nachdem er zwischenzeitlich den Pöbel mit seinen eigenen Waffen schlagen wollte. Wissenschaft ist der böse Blick, der verkleinert und entzaubert; es ist der Blick des häßlichen Menschen. Philosophie sollte Wissenschaft sein: damit hatte Kant den Schlußstein auf einen absurden geistigen Dombau gesetzt – er redet von „sittlichen Gebäuden“ – das Maß der Blödsinnigkeit vollgemacht. Danach folgte scheußliches und immer absurderes Gezänk. Ich darf gar nicht an die gräßlichen Jahre der sogenannten Frankfurter Schule denken und an die Literaten dieser Zeit, ohne daß mir die Galle hochkommt. Eine Bücherverbrennung, wenn es sich um Schund handelt, ist für mich die selbstverständlichste Sache von der Welt. Wenn Goethe sogar eigene Werke verbrannt hat, wie sollte ein Gewissenhafter des Geistes da nicht ekelhaftes Geschreibsel den Flammen übergeben! Ein Georg Lukácz, ein versetzter Goebbels, wußte in dieser gräßlichen Zeit von gesellschaftlichen Zusammenhängen, über die heute keiner mehr spricht,- nicht weil man sich eines Besseren besonnen hätte, sondern weil man seiner selbst zum Sterben überdrüssig und müde geworden ist. Wahrheit darf uns nur gelten, wenn sie in uns liegt, wenn sie unsere Wahrheit ist: Seit geraumer Zeit wird sie außerhalb von uns „gesucht“ – als Gott der Religion oder wissenschaftliche (objektive) Wahrheit, als staatliche Wahrheit sozusagen: Die Realität wird von Sklavennaturen dahingehend umgelogen, daß sie für einen freien Menschen gar nicht mehr ohne Einbuße seiner Vitalität lebbar ist. Nein, die Sonne kommt am Horizont aus der Unterwelt, steigt herauf und verschwindet wieder am Horizont: das ist die ganze Wahrheit, wie ich sie erlebe: dieser ganze mich transzendierende Kugelquatsch ist eine bedenkliche Optik, derer man besser entraten sollte: Sie verkleinert unaufhörlich den Menschen; sie ist menschenfeindlich.