Mittwoch, 17. September 2014

Der 8. Weise

Die letzte Torheit des Katers Murr, wie er auf die Prätentionen der schönen Minona hereinfällt, hat Nietzsche auch ganz so mit der schönen "Äffin" Lou Salomé, hinter deren Tanz der sieben Schleier sich - fast nichts verbarg, erleben müssen. Mein Freund Hans Erich Lampl hat gezeigt, daß Nietzsche den Kater Murr sehr gut kannte. Wie merkwürdig, daß er immer literarische Vorlagen in Leben umgesetzt hat! Ob es einen geheimen Zusammenhang zwischen eines Menschen Vor-Bildern und dem, was er erlebt, herauszustellen gäbe?

Was aber die "Macht der Liebe" betrifft, so scheint selbst Nietzsche kurzzeitig vergessen zu haben, was Lichtenberg unter dem 19. und 20. Februar 1777 darüber klargestellt hat.- Daß beim Weibe jederzeit alles möglich ist, wird meist konstatiert, aber als völlig rätselhaft mit Ratlosigkeit quittiert. Es ist aber beim Weibe und seiner Liebe fast alles Mittel zum Kind; hier findet man den Schlüssel zu den unglaublichsten Manövern und Launen, die wie bei einem Feldzug alles zum großen Schlag in die richtige Stellung bringen sollen. Da ist es so unwahrscheinlich nicht, daß die "unsterbliche Geliebte" sich die von ihren Geschwistern sehr verschiedene Minona von dem alternden Kater Beethoven hat zeugen lassen. Beethoven? Nein, danke; aber ein Kind von einem der größten musikalischen Genies: Wer wollte das nicht?! Das ist doch was! Minona wurde 1812 gezeugt, nachdem sich Josephine von Brunsvick und ihr zweiter Ehemann, Baron Stackelberg, getrennt hatten.

Jeder der sieben Weisen des Altertums hat einen Spruch als den Gedanken seiner Erkenntnis hinterlassen. Ich stelle mich als achter Weiser in diese Tradition mit dem Spruch: Es tut not zu wissen, wer der Mann ist.

Es wäre nicht gerecht, Nietzsche nicht unter die Weisen zu zählen. Allein, was ist sein wesentlichster Spruch? "Du gehst zu Frauen, vergiß die Peitsche nicht!"? "Wer sich auf eine Frau verläßt, verläßt sich auf einen Dieb." - obwohl dies eine Hesiod-Reminiszenz ist und vielleicht auch nicht ausnahmlos gilt? "Die Welt ist Wille zur Macht - und nichts außerdem."?

Freitag, 15. August 2014

An der Zeitenwende?

Das Übermenschliche, wie Nietzsche es schaute, wirft zuerst seinen Schatten voraus, das das Menschenmögliche übersteigende Ungeheuerliche der weltverschlingenden Datenverarbeitung. Es ist ja eigentlich auch klar, dass die wahnwitzige Fehlentwicklung erst ihren Scheitelpunkt erreichen muss, ehe eine Umkehr wirklich in Gang kommen kann, muss doch erst die christliche Religion als der Stützpfeiler der Pöbelherrschaft gänzlich, d.h. auch in ihren metaphysischen Implikationen, beseitigt sein. Dann wäre die derzeitige allgemeine Verrohung und Verdummung ja vielleicht ein gutes Zeichen!? Es ist so schwer, die einfachsten Entwicklungen vorauszusagen. Wie hat sich doch Jack London in "The Iron Heel" verschätzt. Wer hätte vor 30 Jahren das völlige Ende des Kommunismus vorherzusagen gewagt. Die völlige Blödsinnigkeit der Lehren von Marx und Engels, der Geschichtsphilosophie des dialektischen Materialismus, welcher Philosophie sich unter dem Druck des Zeitgeistes selbst Denker vom Niveau Sartres ernsthaft zuwenden zu müssen glaubten! Welch groteskte Verirrung der sogenannten Frankfurter Schule! Welch lächerliche Totgeburt der damals so hochernst genommene Georg Lukácz! Wie traurig Heinrich Manns geistiges Ende als Stalinist! Das muss man Nietzsche auch ungeheuer hoch anrechnen, dass er Marx kein einziges Mal erwähnt hat, der doch schon Heine ein wenig verrückt gemacht hatte mit seinen Ideen!
Eine persönliche Erinnerung: Man versuchte damals uns Studienreferendare von Mönchengladbach zur "Totalanalyse der gesellschaftlichen Verhältnisse" anzuhalten. Ein philosophisch-politisches Frankfurter-Schule-Klippschüler-Profil war mir schnell zuwider: Mit blutig gekratzter Denkerstirn biederte sich ein Herr Schwerdtfeger an, horchte beim Bier aus und schrieb das ihm vertraulich Mitgeteilte dann in seine Gutachten. Aber auch die meisten anderen, die mir damals vorgesetzt wurden, haben mir gar nichts vermitteln können. Es war eine einzige schäbige Quälerei.

Nun erreigt meine Verwendung der Bezeichnungen "Pöbel" und "Pack" und "canaille" für den Janhagel Unwillen: Ich dachte dabei an den "Untertan" von Heinrich Mann oder den Soldaten Peider in Frischs "Andorra", hatte dabei mitunter auch die Perspektive Leberecht Krögers aus Thomas Manns "Buddenbrooks" und so manchen Schillervers im Sinn. Sesostris III. hat mir auf seiner Semna-Stele die Definition des Janhagels geliefert: "Greif ihn an, er kehrt dir seinen Rücken zu; zieh dich zurück, sogleich greift er an! Das sind keine Menschen mit Ausstrahlung: Sie sind erbärmliche Feiglinge in ihren Herzen!" Und dann muss man doch nur Strindbergs "Am offenen Meer" oder "Der Vater" lesen! Oder gar "Der Pelikan"! - Ich dachte auch an Raabes "Else von der Tanne".

Montag, 7. Juli 2014

Wirkungen Indiens über Griechenland

Es gibt kein Selbst im eigentlichen Sinn, sondern nur eine Kette von Vorgängen, die kausal mit einander verbunden sind. Es kann daher auch eigentlich keine Schuld, sondern allenfalls ein Verschulden geben, wie es auch Stifter und Nietzsche und der Buddha lehren und was wohl auch Anaximander hat sagen wollen. Die Vergeltung der Werke ist eine Sache des Dharmas, über das niemand Herr ist. Beim Buddha liegt eine so große Ähnlichkeit zum tragischen Weltverständnis der Griechen vor, daß ich geneigt bin, eine Verwandtschaft derselben auch nach Indien hin anzunehmen. (Vgl, Oldenberg, Die Reden des Buddha, Freiburg, Basel, Wien 2000, Seite 182) Ob sich die Ansätze des Pythagoreismus bis ins alte Indien verfolgen lassen? Oldenberg redet von der "alten indischen, auch im Buddhismus höchst lebendigen Neigung zum Zählen der Dinge und Begriffe. So führt bekanntlich ein wichtiges philosophisches System Indiens den Namen Sānkhya, d.h. die von der Zahl beherrschte Lehre." (ebd. Seite 376) Auch die Seelenwanderung Platons ist ein Anzeichen dafür, daß die Philosophie Indiens den Westen erreicht hatte, wo sie, in ihren negativen Aspekten radikalisiert, als Anfang wahrer Philosophie ausposaunt wurde. Pythagoras und seine Schüler wurden aus Crotona in Süditalien vertrieben. Die unheimliche Zahlenmagie des Nichts konnte bei den gesunden antiken Menschen nur äußerst schwer Fuß fassen. Es kann eine solche Philosophie aber keine Erkenntnis und schon gar keine systematische Erkenntnis hervorbringen, denn "wie ein Affe (...) der in einem Walde, einem Gehölz umherstreift, einen Ast ergreift und den fahren lässt und einen anderen ergreift, so entsteht und vergeht, was Geist genannt wird oder Denken oder Erkennen, immer wechselnd Tag und Nacht." (ebd. Seite 214) Beim Tode Sihanouks meldeten sämtliche Medien, er sei im Alter von 89 Jahren verstorben: Das zeigt überzeugend die Herrschaft des mathematisch-wissenschaftlichen Wahns; denn Tatsache ist, daß er wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag verstorben ist, und wenn man bei Sinnen wäre, hätte man gemeldet er sei im Alter von 90 Jahren verstorben. Die mathematische Korrektheit hat in diesem Fall sogar etwas Bösartiges, da sie die 89,99 €-Indifferenz eines Baumarktes ausstrahlt: Wir danken für ihren Besuch!

Mittwoch, 25. Juni 2014

Notwendige Perspektive

Ich kann solche Dinge realistisch sehen und bin insofern ein Mann der Wahrheit, als mir lange "Einsamkeit" den realistischen Blick beschert hat. Ich brauche auf niemanden Rücksicht zu nehmen, meine Sehweisen und Wertungen an niemanden anzupassen, in einem Maße, das an die Unfähigkeit zu lügen grenzt: Also auch: "Wohl dem, der keine Heimat hat!" Zudem nahm mir die christliche Gewissenserforschung - und das war ihr einziges gutes Werk - die Disposition zum Selbstbetrug, in den sich die meisten Menschen verstricken, so daß ich immer in sehr hohem Maße frei gewesen bin: ich konnte sogar des hartnäckigsten Wahns, des Wahns der Willensfreiheit, entraten und erkannte ihn bald als eine Hauptwurzel allen Übels. Wieviel Unfreiheit hat nicht Schiller noch durch die philosophische Mißgeburt der "Geistesfreiheit" konservieren helfen. Jede bildgebende Hirnforschung kommt heute immer klarer zu der Erkenntnis, daß die "Entscheidungen" des Menschen schon lange, bevor eine Angelegenheit überhaupt in sein Bewußtsein gelangt, gefallen sind.
Wenn jedes Lebewesen in seiner eigenen Welt lebt und alle Auseinandersetzungen durch die perspektivischen Eigenheiten der Kontrahenten bedingt sind, so darf man auch den Streit und den Haß der Menschen nur dann moralisch beurteilen, wenn man die moralische Perspektive, die aber pathologisch ist, nicht ablegen kann. Der "freie Geist" ist zu keiner einseitigen Beurteilung mehr verpflichtet. "Der Mensch (...) bleibt (...) innerlich einem ewigen Schwanken, von außen einer immer störenden Einwirkung ausgesetzt, bis er ein für allemal den Entschluß faßt, zu erklären, das Rechte sei das, was ihm gemäß ist." (Goethe, Dichtung und Wahrheit)
In diesem Zusammenhang vermute ich, daß πόλεμος eigentlich Gewühl bedeutet, aus dem sich das Einzelne herauskristallisiert, und daß man Heraklit so verstehen muß. Es ist viel mehr das Handgemenge als der Kampf von Gegensätzen, die es ja gar nicht gibt. Es sollte mich wundern, wenn nicht πόλύ und πόλις mit πόλεμος verwandt wären. Πολιτικός und πολεμικός gehören ja wohl auch zusammen, zumal in demokratischer Zeit, da sich nichts mehr herauskristallisieren soll und kann...

Freitag, 23. Mai 2014

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Jetzt spielt die Fun-Gesellschaft wieder Wahl im Lande der Dichter und Denker, ja in ganz Europa. Früher zogen die Männer ihre Sonntagskleider an, setzten den Hut auf und gingen in Person zu einer Wahl wie zu einem Thing. Das Massenstimmvieh schafft es oft nicht mehr aus dem Bett. Es geht auch nur noch um die „Stimme“; um die Person geht es schon lange nicht mehr. Die Wahl der Nichtse per Mausklick wäre nur konsequent: ein wirklicher Mensch, verantwortlich und stolz, wird bestenfalls in jungen Jahren, wenn er noch naiv ist, an einer Massenveranstaltung teilnehmen.
Wohlgemerkt: Ich wende mich nicht gegen Mensch und Demokratie. Ich wende mich gegen das biologistische Verständnis von Mensch und das logizistische von Demokratie. In dem schönen deutschen Land in einer Demokratie wahrer Menschen zu leben, wäre ein Traum. Doch Diogenes mit der Lampe sucht immer noch vergeblich.
Wir sind von Rätseln ohne Ende umgeben; zu einer Erkenntnis aber habe ich es doch in meinem Leben gebracht, nämlich daß Bias recht hat, daß die meisten schlecht sind, ohne „triuwe“, „triuwenblôz“! Und auf diese will man heute den Staat gründen, eine organisierte Fun-Gesellschaft. Ein Mensch mit Geschmack wird nicht umhinkommen, mit Schopenhauer den Menschen als Schandfleck in der Natur zu sehen. So sieht ihn auch der kürzlich verstorbene Karlheinz Deschner, dessen "Ärgernisse" ich mit persönlicher Widmung habe. Die Verbrechen gegen die Tiere klagt er nicht minder heftig an, "um nicht vor sich ausspucken zu müssen" wie ... Nein, ich will es nicht wiederholen!

Und da finde ich wieder  Erbauung bei der verwandten Seele eines Lord Byron, eines Rimbaud, die nie den Mut verloren zu haben scheinen. Es will etwas heißen, daß der alte Goethe an Byron geschrieben hat, um sich der Zuneigung des einzigen von ihm gefürchteten Geistes zu versichern. Byron beruhigt ihn in einem eiligen Brief aus Livorno vom 22. Juli 1823, einem der inhaltsleersten Briefe, die Byron geschrieben hat. Hätte Rimbaud schon gelebt, er hätte auch nicht anders mit Goethe umzugehen gewußt. Den Übergang ins 19. Jahrhundert hat Goethe nur bedingt vollzogen. Byron muß ihn sehr verstört haben. Der Optimismus der Aufklärung wird von Byron weggefegt, das „Höllenzeitalter“ ist angebrochen. Wie sehr gleicht jetzt meine Dissertation „Zum Problem des Wertschätzens“ einer Auseinanderfaltung des Spiel- und Schlachtfeldes, auf dem sich nur noch ein Übermensch wird wohlfühlen können! Ich sollte keinesfalls angesichts der neuen Situation älteren moralischen Weltentwürfen nachtrauern und bei ihrem völligen Verschwinden zu sehr die Fassung verlieren. Es gilt ruhig und zäh die Menschenwürde zu bewahren in der Staatsform des pseudodemokratischen Kapitalismus mit ihrer barbarischen Erkenntnisform „Wissenschaft“. Nach dem Siegeszug der heiligen Geiß kann sie jetzt nur noch verlieren. Da bin ich zuversichtlich…

Dienstag, 1. April 2014

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Von der Karnevalskappe aus schießen die blöden Amerikaner Raketen in die Gegend. Ich bin dieses Schwachsinns um mich herum unendlich müde. Hunderte von Fernsehkanälen, einer schwachsinniger als der andere; überall exponiert sich nur noch der hohle Pöbel und feiert sich als "Mensch". Wie Affen sehen sie sich stundenlang bei den nichtssagendsten Verrichtungen zu. Die Muslime haben in sehr vielem recht; da sie aber ihre Werte nicht philosophisch, sondern religiös begründen, kann die westliche Vernünftelei sie leicht ridikülisieren. Es läuft im Westen aber alles darauf hinaus, daß gesellschaftliche sinnvolle Ordnung kollabiert, weil die Rangordnung nicht hergestellt ist: es gibt endloses Gezänk und Gekämpfe und den aussichtslosen Versuch, Führungsprobleme argumentativ zu entscheiden, die Methode, derer sich der Skalvenaufstand in der Moral, hinter welchem die Weiber stehen, bedient,- Wer hätte gedacht, daß Platons Lehrer nicht Sokrates, sondern Xanthippe ist! Die Muslime können den westlichen Weiberkult nicht nachvollziehen; sie hatten keine Maiandacht. 


Vielleicht ist es besser, den Rat Epikurs zu befolgen und sich, um sich vor der Bosheit der Menschen zu schützen, im Verborgenen zu halten und auf Veröffentlichungen durch Buch und Internet zu verzichten, erntet man doch nichts als die Mißgunst derer, denen es nur um Selbstdarstellung, nicht aber um die Sache geht, wie es zum Beispiel bei den Kolloquien im Hotel Waldhaus in Sils Maria zu beobachten ist.
Die relative Dummheit der Menschen ist schlimmer als alles andere. Sie sind in eine sie völlig überfordernde Herrschaft hineinmanipuliert worden. "Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: Wer anders fühlt geht freiwillig ins Irrenhaus." (Zarathustras Vorrede, 5.)
Die entscheidende Frage ist, ob das Anders-Fühlen ein psychologisch erklärbarer Wahn bei einzelnen ist, den es zu heilen gilt, da er in einer "demokratischen" Gesellschaft schnell mit Leid verbunden ist, oder ob es tatsächlich Rangunterschiede gibt, die festzustellen und als werteverbürgend festzuhalten sind, notfalls von den Hochrangigen selbst. Wie aber könnten sich die in der Ressentiments-Luft Vereinsamten zu der ihnen gebührenden Macht zurückringen? Niemals durch Aufklärung, sondern einzig durch einen Gesinnungswandel der Masse, der sich, wie Hitler und Fernsehen gezeigt haben, jederzeit herbeiführen läßt, zumal man von Goethes "theatralischer Sendung" zur "Sendung mit der Maus" hinabgesunken ist. Vielleicht birgt die völlige Verblödung der Massen aber auch die Chance, daß sich die Vernunft wieder durchsetzt...