Freitag, 23. Mai 2014

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Jetzt spielt die Fun-Gesellschaft wieder Wahl im Lande der Dichter und Denker, ja in ganz Europa. Früher zogen die Männer ihre Sonntagskleider an, setzten den Hut auf und gingen in Person zu einer Wahl wie zu einem Thing. Das Massenstimmvieh schafft es oft nicht mehr aus dem Bett. Es geht auch nur noch um die „Stimme“; um die Person geht es schon lange nicht mehr. Die Wahl der Nichtse per Mausklick wäre nur konsequent: ein wirklicher Mensch, verantwortlich und stolz, wird bestenfalls in jungen Jahren, wenn er noch naiv ist, an einer Massenveranstaltung teilnehmen.
Wohlgemerkt: Ich wende mich nicht gegen Mensch und Demokratie. Ich wende mich gegen das biologistische Verständnis von Mensch und das logizistische von Demokratie. In dem schönen deutschen Land in einer Demokratie wahrer Menschen zu leben, wäre ein Traum. Doch Diogenes mit der Lampe sucht immer noch vergeblich.
Wir sind von Rätseln ohne Ende umgeben; zu einer Erkenntnis aber habe ich es doch in meinem Leben gebracht, nämlich daß Bias recht hat, daß die meisten schlecht sind, ohne „triuwe“, „triuwenblôz“! Und auf diese will man heute den Staat gründen, eine organisierte Fun-Gesellschaft. Ein Mensch mit Geschmack wird nicht umhinkommen, mit Schopenhauer den Menschen als Schandfleck in der Natur zu sehen. So sieht ihn auch der kürzlich verstorbene Karlheinz Deschner, dessen "Ärgernisse" ich mit persönlicher Widmung habe. Die Verbrechen gegen die Tiere klagt er nicht minder heftig an, "um nicht vor sich ausspucken zu müssen" wie ... Nein, ich will es nicht wiederholen!

Und da finde ich wieder  Erbauung bei der verwandten Seele eines Lord Byron, eines Rimbaud, die nie den Mut verloren zu haben scheinen. Es will etwas heißen, daß der alte Goethe an Byron geschrieben hat, um sich der Zuneigung des einzigen von ihm gefürchteten Geistes zu versichern. Byron beruhigt ihn in einem eiligen Brief aus Livorno vom 22. Juli 1823, einem der inhaltsleersten Briefe, die Byron geschrieben hat. Hätte Rimbaud schon gelebt, er hätte auch nicht anders mit Goethe umzugehen gewußt. Den Übergang ins 19. Jahrhundert hat Goethe nur bedingt vollzogen. Byron muß ihn sehr verstört haben. Der Optimismus der Aufklärung wird von Byron weggefegt, das „Höllenzeitalter“ ist angebrochen. Wie sehr gleicht jetzt meine Dissertation „Zum Problem des Wertschätzens“ einer Auseinanderfaltung des Spiel- und Schlachtfeldes, auf dem sich nur noch ein Übermensch wird wohlfühlen können! Ich sollte keinesfalls angesichts der neuen Situation älteren moralischen Weltentwürfen nachtrauern und bei ihrem völligen Verschwinden zu sehr die Fassung verlieren. Es gilt ruhig und zäh die Menschenwürde zu bewahren in der Staatsform des pseudodemokratischen Kapitalismus mit ihrer barbarischen Erkenntnisform „Wissenschaft“. Nach dem Siegeszug der heiligen Geiß kann sie jetzt nur noch verlieren. Da bin ich zuversichtlich…

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